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Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
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Das Feuer brannte jetzt schneller, es huschte über die Oberseite des Käppis und fraß den Stoff. Die Hitze versengte ihre Knöchel, und sie warf die Mütze in Richtung der Schlange.
    Die stieß zu, sie stürzte sich auf die brennende Kappe, und Lydia und Rusty krabbelten auf Händen und Knien vorwärts, ihre Tasche schlug gegen ihre Hüfte, der Gestank des brennenden Käppis erfüllte das Rohr. Sie schossen aus der Öffnung heraus, sprangen auf die Füße. Sie taumelte, Rusty hielt sie am Arm, dann warteten sie in dem flachen Kanal und zogen ihre Fahrräder heraus.
    Augenblicke später radelten sie wie verrückt über die Brücke, durch das Mondlicht, das auf die leere Straße schien.

2
    Kinder, dachte Wheaton, bloß ein paar Kinder auf Rädern, die nichts Gutes im Sinn hatten. Streiche, Kleindiebstähle, man konnte es nicht wissen. Er hatte ihnen Angst eingejagt, und sie versteckten sich vermutlich immer noch in dem großen, alten Regenrohr.
    Aber kaum dachte er das, tauchte eine Erinnerung auf, an jene Nacht im Juni – diese Nacht vor fünfunddreißig Jahren –, als er und Eva nackt in der Lagune schwimmen gewesen waren. Dieser Teil seiner Erinnerung war so klar, dass er immer noch ihre Haut schmecken konnte. Aber der Rest fühlte sich neu an. Sie waren ins Haus gelaufen, Eva ging zuerst in die Küche …
    … und sie erstarrt. »Mein Gott, was ist denn hier passiert?«
    Er schließt die Tür, tritt hinter sie, und sieht sich langsam im Raum um, den roten Scheiß an der Wand, die Buchstaben auf dem Kühlschrank, den Küchenschränken, dem Schrank. PERVERS.
    Wheaton trat auf die Bremse. Er stieß den Atem aus. Die Kinder waren im Haus gewesen, die Kinder, hinter denen er hergefahren war, hatten das getan. Aber wer war das? Macon steckte dahinter. Natürlich, Billy Macon. Er musste es gewesen sein. Er würde es nicht wagen, selbst ins Haus zu kommen, das war nicht sein Stil. Er würde ein paar seiner Freunde dafür bezahlen, es zu tun, die Dorfkinder, die an ihm klebten wie Moos auf Steinen. Macht was kaputt im Haus.
    Er war sicher, dass diese Erinnerung neu war, eine weitere Abweichung von der Vergangenheit, wie Eva als Kellnerin in der Lodge. Wenn die Vergangenheit zu weit von seiner Erinnerung an sie abwich, konnte etwas ganz und gar schiefgehen. Der Tod würde Eva vielleicht früher oder auf andere Weise holen, und alles wäre vergebens. Er musste heute Nacht noch loslegen.
    Wheaton trat wieder aufs Gas und bog direkt auf den Highway. Zwanzig Minuten später erreichte er Big Pine Key. Er bog an der Kreuzung ab, wo sich in seiner Zeit ein Einkaufszentrum mit einem »Winn Dixie«-Zoogeschäft, einem kubanischen Coffeeshop und anderen Läden befand. Jetzt standen dort bloß Pinien. Wo immer er hinschaute, standen Pinien, und inmitten dieser Pinien vermehrten sich die Hirsche. In seiner Zeit standen überall an der Straße Schilder, die Autofahrer mahnten, auf das Wild achtzugeben, und andere Schilder mit der aktuellen Zahl der Wildunfälle.
    Er fuhr mehrere Kilometer über unbefestigte Straßen, sein Hirn arbeitete, plante. Er hielt einmal, um seine Karte herauszuziehen und den Gehstock unter der hinteren Sitzbank hervorzuholen. Das Metall war in Holz gehüllt, der Stock war, wie der Gips, ein weiteres mitleiderregendes Accessoire, das nie versagte, den Eindruck zu erwecken, er sei harmlos. Er wechselte seine Brille, die neue hatte einen dicken schwarzen Rahmen. Er zerzauste sein Haar. Aus der Tasche auf dem Boden des Wagens zog er ein T-Shirt und eine Jeans und zog sich schnell um. Jetzt sah er eher wie irgendein Fachidiot aus, als wie ein Uni-Professor.
    Die Macons waren, wie seine eigenen Eltern, selten zu Hause. Wenn sie nicht gerade Bridge spielten, dann waren sie in ihrem Country-Club. Ihre anderen Kinder waren erwachsen, erinnerte er sich, also bekam Billy alle Teenagerspielzeuge, die er brauchte, um sich die Zeit angenehm zu vertreiben.
    Und natürlich stand sein roter Mustang auf dem Gelände unterhalb des Hauses, die Haube geöffnet, ein grelles Arbeitslicht auf den Motorblock gerichtet, Musik drang aus einem kleinen Radio. Es war das einzige Haus an diesem Ende der Straße. Auf der anderen Seite des Kanals befanden sich nur unbebaute baumbewachsene Grundstücke. In fünfunddreißig Jahren wäre dieser Teil von Big Pine komplett bebaut. Aber Billy Macon würde nicht lang genug leben, um das zu sehen.
    Wheaton verlangsamte, ein verwirrter Tourist, der sich verfahren hatte. Er rollte an dem Haus vorbei,

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