Die Spur der verlorenen Kinder
sollte bald zurück sein.«
Eva Wheaton kam in einer engen Shorts herunter, die ihre langen, braun gebrannten Beine zeigte, und einem T-Shirt, das zwei Nummern zu groß war. Sie war atemberaubend schön, sie hatte eines dieser Gesichter, die Zeitschriften-Cover zierten, Fernsehbildschirme, Hollywoodplakate. Sie sah außerdem panisch verängstigt aus, dachte Mira, ihr fiel auf, dass ihr Blick zu Fontaine huschte, dann zu ihrer Stiefmutter.
Fontaine stellte sich vor, seine Südstaatenstimme klang väterlich, beruhigend, die Stimme sagte: Vertrau mir. Mira nannte er bloß beim Vornamen. Sie war seine Assistentin. »Wir möchten dir gern ein paar Fragen über Bill Macon stellen.«
»Was ist mit ihm?« Sie setzte sich auf die Kante eines Sessels, ihre Körpersprache deutete an, dass sie kurz davorstand davonzulaufen.
»Bist du mit ihm ausgegangen?«
»Ja, und?«
»Wie lange?«, fragte Mira.
»Wir sehen einander jeden Sommer und in den Ferien.« Sie wand ihre Hände im Schoß. »Warum? Hat er etwas angestellt?«
»Er wurde letzte Nacht ermordet«, sagte Fontaine geradeheraus.
»Erm…« Ihre Hände umklammerten ihre Knie, Tränen traten in ihre Augen. »Aber … aber …«, stammelte sie, dann brach sie zusammen und schluchzte in ihre Hände.
Katherine Wheaton kam mit einer Schachtel Kleenex angelaufen und streichelte ihr Haar. Eva schien in der Berührung ihrer Stiefmutter keinen Trost zu finden und zuckte zurück, sie riss eine Handvoll Papiertücher aus der Schachtel und wischte sich das Gesicht. Mira hörte, wie die Tür aufging, jemand kam durch die Küche herein.
»Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«, fragte Fontaine.
»Vor … vor zwei Tagen. Wir sind ausgegangen, dann hierher zurückgefahren. Ich … ich … wer würde so etwas tun? Alle mochten Billy.«
»Patrick glaubt, dass Billy und seine Freunde diejenigen waren, die sich letzte Nacht diesen Scherz erlaubt haben«, sagte Katherine.
»Das ist lächerlich «, blaffte Eva.
»Welchen Scherz?«, fragte Mira.
»Spaghettisoße in der ganzen Küche«, sagte der groß gewachsene junge Mann in der Küchentür. »An den Wänden, auf dem Tresen, am Herd und am Kühlschrank.«
In der Mitte von Miras Brust explodierte ein Ball aus Hitze, und die Hitze raste wie Blut durch ihre Arterien und Venen. Das ist er. Sie wäre beinahe aufgesprungen und hätte sich auf ihn gestürzt, sie hätte beinahe geschrien: Wo ist meine Tochter? Aber das Summen in ihrem Kopf wandelte sich in ein ohrenbetäubendes Kreischen, und der Schmerz drückte sie in ihren Sessel.
»Und wer bist du?«, fragte Fontaine.
»Patrick Wheaton.«
»Das sind Sheriff Fontaine und Mira, seine Mitarbeiterin«, sagte Katherine.
Patrick Wheaton lächelte, es war ein strahlendes, lebendiges, herausforderndes Lächeln. In den wenigen Augenblicken, die er brauchte, um mit nackten Füßen durch das Zimmer zu gehen, konnte Mira nichts anderes tun, als ihn zu beobachten, ihn an dem Bild des Mannes auf dem Strand in ihrem Geist zu messen. Peter. Das war Peters jüngeres Selbst.
Er schüttelte Fontaine die Hand. »Nett, Sie kennenzulernen, Sir.« Sehr höflich. Sehr freundlich.
Als er sich Mira zuwandte, sah er ihr in die Augen, und sein Lächeln verdunstete wie Feuchtigkeit in der Wüstenhitze. Alles in ihr rebellierte dagegen, seine ausgestreckte Hand zu nehmen, doch sie tat es trotzdem, weil sie sehen musste, was er sah, wissen musste, was er wusste. Er war die Verbindung zu dem Monster, das er werden würde. »Nett, Sie …«
Das war alles, was sie hörte. Ein Brüllen erfüllte ihren Kopf, mehrere Wege explodierten direkt vor ihr, und ihr Nervensystem flog in die Luft, die Stücke trieben wie Staubwolken durch einen Wirbelwind. Und dann nahm sie die Informationen mit Lichtgeschwindigkeit in sich auf, ihre Synapsen brannten durch, die Nervenkreise schmolzen, neue Wege brannten sich durch ihr Hirn.
Es dauerte bloß Sekunden, es war nicht mehr als ein kurzer Blick auf die kosmische Lage der Dinge, aber es war Sekunden zu lang. Als er von ihr zurücktrat, zeigte sein Gesicht Verwirrung und Angst, sie schwitzte, und die Hitze pulsierte in der Mitte ihrer Brust, raste ihren Hals hoch bis in ihr Gesicht.
Patrick Wheaton wusste, dass etwas Merkwürdiges geschehen war, sie konnte es an seinem Blick sehen. Aber niemand sonst wusste es. Niemand sonst hatte es bemerkt. Fontaine setzte seine Fragen fort, Eva schniefte weiter und tupfte sich die Augen, und Mira mühte sich, damit klarzukommen, was sie gesehen
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