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Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
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um ihn zu beobachten, wie so oft in den letzten sechs Jahren.
    Rusty zog einen Lappen aus der Ledertasche an seinem Sattel und wischte das Fahrrad sauber, er entfernte Staub und Grashalme. Er kümmerte sich ebenso einwandfrei um seinen 1955er Chevy und sein Zimmer. Aber er teilte Wheatons Abscheu gegen Keime nicht. Seine Wäsche türmte sich normalerweise im Wäschekorb, und wenn er etwas zu essen machte, ließ er Lebensmittel draußen liegen, Krümel blieben auf dem Tresen, und dreckige Teller mit Essensresten standen in der Spüle. Die Fressnäpfe des Hundes wurden nur gewaschen, wenn Wheaton es selbst tat. Rusty schüttete bloß neues Fressen in die verkrustete Schüssel, und der Hund, dem es egal war, fraß es einfach.
    Drei Monate, nachdem Wheaton Rusty aufgenommen hatte, als sich eine erste, zerbrechliche Form von Vertrauen gebildet hatte, erklärte er ihm die Haushaltsregeln. Kein Fluchen, sei sauber und ordentlich, sag die Wahrheit, räum hinter dir auf. Damals war Rusty zwölf gewesen, alt genug, um die Regeln zu verstehen, aber oft genug vergaß er, sich an sie zu halten. Jedes Mal, wenn Rusty es vergessen hatte, hatte Wheaton etwas von ihm geopfert, damit er lernte, dass jede Handlung Folgen nach sich zog und dass man die Regeln zu achten hatte.
    Aber diese Zeit war lange vorüber. Rusty würde Ende Juni achtzehn werden, er war jetzt genauso groß wie Wheaton, eins achtzig, zehn Kilo schwerer, nichts als Muskeln. Dem Jungen konnte man nicht mehr so leicht Angst machen mit Hausarrest oder irgendwelchen Opfern. Er würde es heute nicht mehr wagen, Rustys Bücher oder CDs anzurühren.
    Anfangs hatte Wheaton sich Sorgen gemacht, dass Rusty sich einem seiner Lehrer oder einem Freund anvertrauen könnte, in der Art von: Pete hat mich aus der Zukunft entführt. Aber Rusty war klar geworden, dass sein Leben mit Wheaton weit besser war als sein Leben bei seiner eigenen Familie im Jahr 1997. Solange er sich an die Regeln hielt, durfte er eigentlich alles. Er brachte allerdings niemals Freunde mit nach Hause, denn dann würden sie die Computer, CD-Spieler, Videorekorder und DVDs und all die anderen Spielzeuge sehen, die Wheaton aus seiner eigenen Zeit hergeschleppt hatte.
    Als Rusty fünfzehn gewesen war, war es einmal knapp gewesen. Rusty hatte eine Freundin, die ein bisschen zu neugierig wurde, und er, vielleicht in der Hoffnung, sie zu beeindrucken, hatte sie an einem Tag, an dem Wheaton aus war, mit ins Haus gebracht und ihr seine elektronischen Spielzeuge gezeigt. Wheaton kam zufällig heim, während sie noch hier war, begriff, was Rusty getan hatte, und eine Woche später hatte er das Mädchen verschwinden lassen. Er fühlte sich schlecht deswegen, konnte es aber nicht riskieren, dass sie mit irgendjemand redete. Sie war ein notwendiges Opfer, und er hatte klargestellt, dass die Computer und anderen Dinge aus der Zukunft oben blieben, entweder in Rustys Schlaf- oder Wheatons Arbeitszimmer.
    Rusty warf Wheaton nie offen vor, das Mädchen umgebracht zu haben, aber tief im Innersten wusste er, was Opfer zu bringen hieß, und es wurde nie wieder gefährlich. Rusty hatte andere Freundinnen, aber keine von ihnen kam hierher.
    Wheaton sah zu, wie Rusty den Lappen vor der Tür in einen Plastikbehälter stopfte und einen Eierkarton hervorzog, in den er jeden Morgen die frischen Eier legte. Er trat vom Fenster zurück zu seiner Suppe.
    Ein paar Minuten später kamen Rusty und der Hund herein, die Fliegengittertür knallte hinter ihnen zu. Der Junge schloss die Holztür hinter sich, sodass die kühle Klimaanlagenluft nicht entkam, zog dann seine Schuhe aus und ließ sie auf der Matte stehen. Keiner von ihnen trug im Haus Schuhe. Schuhe brachten Keime herein.
    »Fast zwei Dutzend Eier heute Morgen«, verkündete er und stellte den Karton auf den Tresen. »Im Zaun ist ein Loch, das flicke ich nachher noch.«
    »Hattest du schon Frühstück?«
    »Ja.«
    »Macht dir irgendetwas Sorgen, Rusty?«
    Rusty sah ihn an, als wäre er verrückt, ihn das auch nur zu fragen, dann lachte er: »Nein, überhaupt nichts, Pete. Es sei denn, du meinst das Mädchen im Schuppen. Sie ist – was? Dreizehn? Vierzehn? Und aus welcher Zeitzone ist sie? Du hast dir nicht die Mühe gemacht, das zu erwähnen, als du sie gestern hier angeschleppt hast. Du hast dir eigentlich überhaupt keine Mühe gemacht, irgendetwas zu erwähnen. Damit warst du die letzten drei oder vier Monate beschäftigt, oder?«
    »Damit, und Sachen zu kaufen, die ich mitgebracht

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