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Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
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die erste Regel erinnern.
    »Sie würden auch fluchen, wenn Sie sich so fühlten wie ich.«
    »Hier ist das Thermometer.« Er reichte es ihr. »Weißt du, wie man so eins benutzt?«
    Sie verdrehte die Augen, als wollte sie sagen, dass das eine der dümmsten Fragen wäre, die sie je gehört hatte. »Ja.« Sie hielt die Spitze in ihr Ohr und schaute Sekunden später auf die Anzeige. »39,5«
    »Gut, es ist fast ein Grad gesunken. Lass mehr Wasser in die Wanne.«
    »Ich hätte gern meinen Rucksack. Da sind saubere Sachen drin.«
    »Ich hole ihn. Außerdem ist Kleidung im Wandschrank und in der Kommode.«
    »Ich ziehe nichts von anderen Leuten an. Das ist, als würde man ihren psychischen Müll absorbieren.«
    »Es sind neue Sachen. Deine Größe.«
    Ihr gespielte Tapferkeit verließ sie, und ihm wurde plötzlich klar, dass sie zwar einen rauen Ton hatte, aber letztlich nur ein junger, verängstigter Teenager war. »Ach ja? Und wer hat die gekauft? Sie?«
    »Ja.«
    Stille. Weiteres Plätschern. Sie drehte schließlich das Wasser voll auf, und er begriff, dass das Rauschen des Wassers denselben Zweck erfüllte wie die laute Musik in Rustys Zimmer. Es schloss ihn aus. Als sie das Wasser schließlich abdrehte, dröhnten und stöhnten die Leitungen. Sie zog den Vorhang wieder beiseite. »Gestern war ich nicht krank. Warum bin ich also heute krank?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Sie starrte ihn so lange an, dass es ihm unangenehm wurde. »Sie sind ein mieser Lügner. Sie wollen mir einfach nur nicht die Wahrheit sagen.« Sie zog den Vorhang wieder zu. »Ich sollte noch einmal meine Temperatur messen.«
    Wheaton, verunsichert durch das, was gerade geschehen war, schob das Thermometer zwischen Vorhang und Wand hindurch. Sie riss es ihm aus der Hand und streckte es ihm Sekunden später entgegen, sodass er die Anzeige sehen konnte: 38,4.
    »Gut. Du kannst jetzt aussteigen. Ich habe dir etwas zu essen gebracht, und ich glaube, es wäre gut, wenn du es isst. Im Kühlschrank liegt Wassereis und reichlich Mineralwasser. Du musst trinken, damit du nicht dehydrierst. Rusty oder ich werden regelmäßig nach dir sehen.«
    »Und was soll ich tun, während ich dann auf dem Sofa liege? Hier ist kein Fernseher. Ich habe kein einziges Buch gesehen. Und im Moment bin ich nicht müde.«
    »Ich bringe dir ein paar Bücher.«
    »Und ich hätte gerne meine Sachen. Und eine Zahnbürste und Zahnpasta und Shampoo und eine Haarbürste und einen Föhn.«
    Er erhob sich, öffnete den Wandschrank und nahm das Shampoo heraus, das er gekauft hatte. Er legte eine Zahnbürste und eine Tube Zahnpasta hinten aufs Waschbecken. Dann legte er ein kuscheliges Handtuch auf den Spülkasten der Toilette. »Shampoo«, sagte er und stellte es auf den Rand der Wanne. »Ich hole deine Sachen.«
    »Entschuldigung«, sagte sie und öffnete den Vorhang erneut. »Ich finde, Sie sollten etwas wissen. Meine Mutter ist nicht reich, okay? Sie und meine Urgroßmutter haben einen Buchladen. Unabhängige Buchladenbesitzer sind niemals reich. Ich meine, wir kommen klar, aber wir sind nicht wohlhabend. Wenn es also um Geld geht, dann haben Sie das falsche Kind entführt.«
    »Wir haben dieses Gespräch bereits geführt«, erinnerte er sie und fragte sich, ob der Korridor die Erinnerung verschluckt hatte. Manchmal passierte das. »Und meine Antwort ist dieselbe. Es geht nicht um Geld. Und ich bin nicht pädophil.«
    »Worum geht es dann?«
    Wheaton war schon aus dem Bad gegangen, als sie das fragte, und er hielt nicht an, schaute nicht zurück, antwortete nicht.
    »Hey«, rief sie. »Was wollen Sie dann? «
    »Alles zu seiner Zeit. Im Moment ist mein einziges Ziel, dass es dir besser geht.«
    »Toll. Dann lassen Sie mich nach Hause gehen.«
    »Das kann ich nicht.«
    Er wandte sich um und sah, dass ihre Unterlippe zitterte und ihre Augen sich mit Tränen gefüllt hatten. »Meine Mom wird mich finden. Sie wissen nicht, wie sie ist.«
    »Genau genommen weiß ich eine Menge über deine Mutter, Annie. Und über dich.« Er stand in der Badezimmertür. Ihm war klar, dass auf der körperlichen Ebene der Abstand zwischen ihnen kaum etwas ausmachte. Doch anders betrachtet erschien es, als würden sie über einen unüberbrückbaren Ozean hinweg miteinander sprechen. »Mira steht ihrer Großmutter, Nadine Kentrell, am nächsten. Sie sieht ihre Eltern nur selten. Sie und dein Vater und Nadine haben das Grundstück für ihren Buchladen in Lauderdale gekauft, als sie siebenundzwanzig und schwanger mit

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