Die Spur der verlorenen Kinder
2002 erneuert.«
»Wo erneuert?«
»Miami. Und ich habe eine Privatadresse.« Goot las sie vor: 3130 Savoy Place, Tango Key.
Sheppard hatte noch nie vom Savoy Place gehört. Nadine schon, aber sie wusste auch nicht, wo es war. Sie ging hinüber zu Miras Krimskrams-Küchenschublade und wühlte sich durch Haufen von Coupons, Stiften, Notizblöcken, Spielkarten und allem anderen, das keinen festen Platz im Haus hatte, bis sie eine Karte von Tango Key gefunden hatte.
»Hier, nimm die. Es ist eine einigermaßen aktuelle Karte«, sagte sie.
Die Katzen – die drei von Mira und seine Katze, Powder – sprangen nacheinander auf den Tisch, als das Papier raschelte. Whiskers, Annies schwarz-weiße Katze, ließ sich auf dem Nordende der Karte nieder. Tiger Lilly, Miras Baby, machte es sich auf der Südseite bequem. Demian, Nadines Maskenperser, übernahm die Ostseite, Powder den Westen. Die Menschen starrten einander an.
» Das «, sagte Nadine, »ist bemerkenswert. Wir sind auf der richtigen Spur.«
Sheppard scheuchte die Katzen weg und fuhr mit dem Finger über die Liste der Straßennamen unten auf der Karte. »Hier ist es. C7, D4. In den Bergen im Nordosten. Es grenzt an das Naturschutzgebiet.«
»Ich dachte, dort gibt es bloß alte Bauernhöfe und Heimstätten«, sagte Goot.
»Ich war nur einmal da oben.« Mit Mira. Sie waren durch das Naturschutzgebiet gewandert, erinnerte sich Sheppard, und hatten sich in einem Wäldchen geliebt, das aussah wie aus Mittelerde. »Überprüfen wir kurz einmal den Eigentümereintrag.« Er ging online in die Grundeigentürmer-Datenbank und gab die Savoy-Adresse ein. Ein Firmenname war das Ergebnis: Imagine Inc. Sheppard klickte auf den Namen und erhielt eine Liste von vier Angestellten, alle mit japanischen oder spanischen Namen, und eine Zentrale in Hongkong.
Ein Investment, die wohnen da nicht, dachte er, doch um ganz sicherzugehen, rief er die Auskunft an und bat um die Telefonnummer von Imagine Inc. Es gab keinen örtlichen Eintrag, nur eine 800er-Nummer. Sheppard wählte sie und hörte eine Ansage, dass die Nummer abgemeldet war.
»Die sind weitergezogen«, bemerkte Nadine.
»Sehen wir es uns an«, sagte Sheppard.
»Glaubst du, wir brauchen Verstärkung?«, fragte Goot.
Sheppard dachte darüber nach. Die FBI-Dienststelle auf Tango war klein, bloß vier Leute außer ihm und Goot. Zwei waren im Urlaub, einer war in Miami, der andere hatte Grippe. Das hieß, dass sie Emisons Leute anrufen müssten. Das bedeutete ein SWAT-Team: Streifenwagen, Hubschrauber, das volle Programm. Wenn Wheaton Annie wirklich in 3130 Savoy versteckte, dann brachte das Protokoll sie ganz bestimmt nicht weiter.
»Nein. Bloß du und ich.«
Goot grinste. »Ich hatte gehofft, dass du das sagst.«
Fünfzehn
Annie?«
Seine Stimme war die eines wütenden Gottes, donnernd, rachsüchtig, beängstigend. Sie wollte am liebsten nicht antworten, sie wollte so tun, als hätte sie ihn nicht gehört. Aber wenn sie das täte, dann würde er sicher an die Tür kommen und dagegen schlagen, bis sie antwortete. Wenn sie dann immer noch still blieb, würde er die Tür eintreten. So lief das in Peters Welt. Und obwohl sie offenbar, was für eine Krankheit sie auch immer gehabt hatte, überstanden hatte, änderte das noch nicht ihre unmittelbaren Umstände. Sie war immer noch seine Gefangene.
»Ich dusche«, rief sie zurück, trat eilig aus der Dusche und lauschte, ein Ohr an die Tür gepresst.
Sie hörte Peter in dem Wohnraum umhergehen. Sie hatte ein Handtuch an den Spalt gepresst, weil sie ihn für einen Typ hielt, der nach ihrem Schatten Ausschau hielt, um herauszubekommen, wo sie stand.
»Ich habe etwas zu essen für dich.«
Welche Mahlzeit? Frühstück? Mittagessen? Abendbrot? Sie hatte keine Ahnung. Es war auch egal. Sie hatte Stunden und Tage aus den Augen verloren. »Stellen Sie es einfach auf den Tisch.«
Er klopfte jetzt an die Tür, erschreckte sie, sie zuckte zurück. »Brauchst du etwas?«, fragte er. »Shampoo? Seife? Zahnpasta?«
Ein Gott, der so tat, als wäre er besorgt. Sie drehte ihren Kopf in Richtung der Dusche, damit es klang, als wäre sie dort und stünde nicht direkt hinter der Tür. »Nein, Sie haben mir alles gekauft.« Schönen Dank auch.
»Wir müssen reden. Ich komme später wieder.«
Sie drehte ihren Kopf noch einmal von der Tür weg und rief: »Ja, okay.«
Sie hörte, wie er sich von der Tür entfernte, wagte es aber nicht hinauszuschauen. Sie ließ die Dusche noch ein paar
Weitere Kostenlose Bücher