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Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
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fressen.«
    Ja, und?, dachte Sheppard.
    Goot musste dasselbe gedacht haben, denn Nadine warf ihnen beiden einen bösen Blick zu. »Hey, das ist eine tolle Sache, in Ordnung? Wilde Babytauben überleben selten einen Sturz aus dem Nest.«
    »Und die neue Erinnerung?«, fragte Sheppard.
    »Juni 1968. Mira war bei uns, wie zuvor. Ich war draußen im Garten, genau wie zuvor. Aber in dieser Erinnerung fiel mir ein Elektrowagen auf, der am Rande der Straße in der Nähe des Hauses stand. Darin saß eine Frau. Als sie aus dem Wagen stieg, sah ich einen Vogel auf ihrer Schulter. Der Vogel sagte: Hola, amigas. Es war ein Weddellsittich, sehr freundlich, ich habe ihn gehalten, während wir über Vögel sprachen. Die Frau kam mir eigenartig bekannt vor. Ich hatte das Gefühl, sie schon einmal getroffen zu haben. Ich erkannte ihr Gesicht, aber ihr Name fiel mir nicht ein. Sie sagte, dass sie sich verfahren hätte und fragte nach dem Weg zu einem Ort auf der Insel. Ich erklärte ihr den Weg, und noch bevor ich fertig war, kam die kleine Mira aus dem Haus gelaufen und rief, dass Lucy fraß.
    Und die Frau schaute ganz eigenartig. Sie nahm meine Hand und drückte mir einen Zettel hinein, dann lief sie zu ihrem Wagen und fuhr davon.« Nadine zog jetzt ihre rechte Hand aus der Tasche. Darin hielt sie ein Stück Papier, gelb vom Alter, am Rande brüchig. »Das ist der Zettel, den sie mir gegeben hat.«
    Sie streckte die Hand aus, und Sheppard nahm den Zettel und faltete ihn vorsichtig auseinander.
    16. Juni 1968
    Nadine,
    ich weiß, dass das jetzt wenig Sinn für dich ergeben wird, aber eines Tages wird das anders sein. Bitte sag Sheppard, dass die Felder eine Brücke darstellen. Um über die Brücke zu kommen, muss er, glaube ich, die richtigen Koordinaten in einem Bereich des Feldes finden, der vollkommen dunkel ist. Die letzten Ziffern der Koordinaten, sowohl für Länge als auch für Breite, enden auf 10. Sag ihm, ich bin sicher, dass Annie hier ist, aber ich habe sie noch nicht gefunden.
    Wenn du Fragen hast, ich bin in Hütte elf in der Künstlerkolonie.
    Ich danke dir sehr.
    Mira Morales
    Sheppard war überwältigt von einem Strudel starker, fast heftiger Gefühle. Wie kann das nicht wahr sein? Er reichte Goot den Zettel und schaute Nadine hilflos an. »Du hast nie gesagt, dass du diese Notiz hast, Nadine. Nicht in all den Jahren, seit wir einander begegnet sind.«
    » Mí amor. « Sie sprach leise und sah ihm genau in die Augen. »Bis letzte Nacht wusste ich nicht, dass ich diesen Zettel habe. « Sie trat zurück und ließ es verdauen.
    »Große Scheiße«, murmelte Goot.
    »An dem Tag, an dem sie mir den Zettel gab, wollte die junge Mira von mir wissen, was die Frau mit dem Vogel mir gegeben hatte«, fuhr Nadine fort. »Ich habe ihr den Brief vorgelesen und sie gebeten, mit ihren inneren Sinnen zuzuhören. Es hat sie verunsichert, und sie lief ins Haus.«
    »Und was soll das heißen?«, fragte Goot. »Ich meine, was heißt es wirklich? «
    »Es heißt, dass Mira als Erwachsene im Jahr 1968 ist«, sagte Nadine. »Ganz klar unmöglich, aber es ist geschehen.«
    »Es heißt, dass es eine weitere Besonderheit gibt«, entgegnete Sheppard. »Nicht mehr, nicht weniger.«
    Nadine sah ihn mit einem Blick an, der nach Abscheu oder Verachtung oder beidem aussah. Doch es war Wut, die sich in ihrer Stimme Ausdruck verschaffte. »Du bist ein verdammt sturer Gringo. Wenn du Mira und Annie finden willst – und davon gehe ich aus –, dann musst du das Unmögliche glauben.«
    Mit diesem Satz wandte sie sich ab und ging zur Straße, wo sie die Wagen geparkt hatten.

Neunzehn
    In der Kolonie hatte es sich relativ schnell herumgesprochen, dass die brünette Frau in Hütte elf übersinnlich begabt war, und plötzlich kamen alle möglichen Leute zu Mira und wollten etwas über ihre Zukunft erfahren. Erst waren es die Nachbarn, dann brachten sie Freunde mit, die weitere Freunde mitbrachten, und innerhalb von sechs Tagen hatte sie bestimmt fünfzig Leuten die Zukunft vorausgesagt und fast 2000 Dollar verdient.
    Mit dem Geld konnte sie Jake zurückgeben, was sie ihm schuldete, und dann tun, was sie auch zu Hause tat – ihre Rechnungen bezahlen. Aber sie konnte auch überlegen, sich eine bessere Transportmöglichkeit zuzulegen, damit sie schneller auf der Insel unterwegs sein und Annie finden konnte. Sie brauchte einen Wagen. Sie konnte keinen mieten oder kaufen ohne Führerschein, zumindest nicht auf offiziellem Wege, also begann sie herumzufragen.

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