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Die Spur der Woelfin

Die Spur der Woelfin

Titel: Die Spur der Woelfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Baines
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ganze
gerichtliche Zirkus vorüber gewesen und auch ihre psychologische Betreuung
beendet war, hatte sie alles so weit wie möglich von sich geschoben. Sie wusste
zwar, dass man genau das eigentlich nicht tun sollte, aber sie hatte einfach
kein Interesse daran gehabt, es immer wieder breitzutreten. Es war geschehen,
und kein Mensch der Welt konnte es wieder rückgängig machen.
    Wenn man sie gefragt hätte, warum sie es nun ausgerechnet Vince
erzählte, hätte sie alles auf den Alkohol geschoben. Aber um genau zu sein, war
sie sich sehr wohl im Klaren darüber, dass genau der Mann vor ihr saß, der ihr
seit über einer Woche das Leben schwer machte. Der mit allen Mitteln versuchte,
sie aus dem Haus und von Patrick wegzubekommen, und dem sie nun, im stummen
Eingeständnis ihrer Schwäche, eine neue Angriffsfläche bot. Aber Alkohol machte
redselig, und sie hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, es ihm zu
erzählen. Er wäre vermutlich der Einzige, der sie nicht in Mitleid ertränken
würde. Davon hatte sie selbst schon genug, und sie wollte nicht noch auch
welches von anderen bekommen.
    »Ich war siebzehn«, begann sie leise und sah aus dem Augenwinkel heraus,
wie er nach einer neuen Zigarette angelte. »Mein Väter ist Landwirt an der
norddeutschen Küste. Meilenweit nur flaches Land und Deiche. Unser Nachbar war
zu dem Zeitpunkt auch sein bester Freund, Saufkumpan ... Was Männer halt so
zusammen machen. Ich weiß nicht, wann er beschlossen hat, mehr in mir zu sehen
als nur die Tochter seines Nachbarn, aber ...« Sie zuckte mit den Achseln,
während sie sich weigerte, auch
    nur in Vinces Richtung zu schauen. »Meine Mutter hatte mich gebeten, zu
ihm rüberzufahren und seiner Frau ein Paket vorbeizubringen, das der Postbote
bei uns abgegeben hatte. Sie war aber nicht da, stattdessen traf ich ihn auf
dem Hof. Er kam gerade vom Füttern, und, na ja, er stank.« Vollkommen in ihren
Erinnerungen versunken, griff sie nach einer Zigarette. Doch auch als eine
kurze Pause entstand, während sie sie sich anzündete, sagte er kein Wort,
sondern wartete schweigend ab, bis sie fortfuhr.
    »Er meinte, ich solle mit ins Haus kommen, er wolle das Paket so, wie er
jetzt war, nicht anfassen. Ich sollte es für ihn in die Küche bringen, und er
wollte sich kurz die Hände waschen. Es war eine Lieferung vom Versandhaus und
per Nachnahme zugestellt worden. Ich sollte mir von ihm also das Geld
wiedergeben lassen.« Kurz verlor sie sich in Gedanken, kam dann aber mit einem
merklichen Schaudern wieder in die Gegenwart zurück.
    »Schon seit Wochen war mir aufgefallen, dass er an mir interessiert zu
sein schien. Mir war das Ganze schrecklich unangenehm gewesen, aber ich hatte
auch nichts sagen wollen. Ich hatte schon genug Streit mit meinem Vater, weil
ich den Hof nicht übernehmen wollte, da musste ich nicht noch ein weiteres
Thema hinzufügen. Also habe ich so getan, als würde ich nicht merken, wenn er
mich anstarrt oder jede Gelegenheit nutzt, mich anzufassen.« Als Galle ihr die
Kehle hinaufstieg, nahm sie hastig einen weiteren Schluck aus der Flasche und
atmete erleichtert auf, als der Alkohol die Bitterkeit fortspülte.
    »Ich stand in der Küche, als er wiederkam. Er hatte gemeint, ich sollte
das Paket ruhig schon aufmachen und nachsehen, ob auch alles richtig geliefert
worden sei. Und während ich die Sachen kontrolliert hatte, habe ich gar nicht
mitbekommen, wie er hereingekommen war. Plötzlich stand er hinter mir.« Fest
presste sie bei dem Nachfolgenden die Lider zusammen und schluckte mehrmals,
ehe sie fortfahren konnte. »Es war Sommer, und ich hatte nur ein kurzes Kleid
an. Im ersten Moment war ich viel zu perplex, als er mit einer Hand zwischen
meine Beine griff, immerhin rechnet man mit so was nicht wirklich. Ich wollte
mich von ihm losmachen, doch er hielt mich fest. Ich habe versucht zu schreien,
doch er hat mir einfach mit einer Hand den Mund zugehalten.« Ihr Atem kam nur
noch stoßweise, während sie an diesen Tag vor vier Jahren zurückkehrte, und
panisch zuckte sie zusammen, als sie plötzlich eine Hand auf der ihren spürte.
    »Es ist vorbei«, hörte sie Vince sagen, und sie entrang sich ein
gequältes Lächeln, während sie langsam den Kopf schüttelte. Die Bilder, die sie
bei ihrem Bericht überfallen hatten, verblassten, und sie wagte es, ihm einen
Blick zuzuwerfen. Kein Mitleid.
    »Das wird es nie sein. Bis dahin hatte ich geglaubt, die Minuten, die
ich auf dem Fußboden der Küche verbracht hatte, wären

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