Die Spur der Woelfin
vielen?«
Laura biss sich auf die Lippe, um ihn nicht anzuschreien. Das war es
nicht wert. Bald wäre sie von hier wieder verschwunden, es lohnte sich einfach
nicht, jetzt einen Streit anzufangen.
»Ich habe nur einen Freund, Vater. Und wenn alles vorbei ist, werde ich
zu ihm zurückgehen.«
Er musterte sie anzüglich von oben bis unten, und Laura fragte sich, wie
ein Vater es schaffte, sich so seiner Tochter gegenüber zu verhalten.
Eigentlich hätte es ihn doch interessieren müssen, was ihr Freund für ein Mann
war. Ob er seine Tochter gut behandelte und so weiter. Doch er behandelte sie
wie eine Fremde.
»Und wann wird das sein?« Er schien es gar nicht erwarten zu können,
dass sie wieder ging. Diese Erkenntnis versetzte ihr trotz allem einen Stich.
Wahrscheinlich würde sie es nie schaffen, genügend Abstand zu gewinnen, um
seine derben Sticheleien zu ignorieren. Blut war dicker als Wasser, hieß
es im Volksmund, und auch Laura kam um diese Tatsache einfach nicht herum. Sie
hatte deswegen einen ganzen Ozean zwischen sich gebracht.
»Das kann ich dir noch nicht sagen. Ich hoffe aber, dass es nicht allzu lange
dauern wird.« Damit hatte sie sich abwenden wollen, doch ihr Vater packte sie
am Arm und hielt sie zurück.
»Glaub ja nicht, dass du dich so leicht aus der Affäre ziehen kannst. Du
bist noch immer meine Tochter.«
Wütend riss sie sich los und wich zurück. »Ja, genau das ist es, was ich
zu vergessen versuche.« Und ohne auf ein weiteres Wort von ihm zu warten,
drehte sie sich um und ging davon. Sie musste sich zwingen, dabei nicht zu
rennen.
Als sie in ihrer Wohnung ankam, war Vince schon auf. Sie hörte das
Prasseln der Dusche und ging ins Gästezimmer, wo der Kühlschrank stand.
Angestellt hatte sie ihn bereits, bevor sie aufgebrochen war, und jetzt hatte
er gerade die richtige Temperatur erreicht.
Noch immer war sie wütend auf ihren Vater. Und während sie nun alles für
das Frühstück zusammensuchte, spürte sie ihre Wut nur noch weiter wachsen. Sie
hätte sich nicht bereits mit sechzehn einen eigenen Hausstand aneignen müssen,
wenn ihr Vater nicht so verbohrt gewesen wäre. Sie hätte sich keine eigene
Kaffeemaschine kaufen müssen, wenn sie unter ganz normalen Bedingungen groß
geworden wäre.
Sie war noch nie wütend auf eine Kaffeemaschine gewesen, aber in diesem
Moment musste sie an sich halten, um sie nicht schlicht aus dem Fenster zu
werfen. Und sie war dermaßen vertieft in ihre eigenen Gedanken, dass sie Vince
nicht bemerkte, der leise den Raum betrat. Erst als er eine Hand auf ihre
Schulter legte, bemerkte sie ihn und fuhr ihn wütend an.
»Fass mich nicht an!«, zischte sie, und sofort nahm er die Hand wieder
weg und sah sie fragend an.
»Was ist los?«
Wütend knallte sie den Aufsatz der Kaffeemaschine zu und drehte sich zu
ihm um. »Was soll schon los sein? Ich bin zu Hause!« Sie spuckte dieses Wort
förmlich aus, und mit gehobener Braue musterte er sie.
Dann schien er plötzlich zu begreifen. »Du hast deinen Vater getroffen«,
stellte er nüchtern fest, und sie schnaubte.
»Du bist noch immer meine Tochter«, äffte sie dessen Ton nach und ließ
sich schließlich seufzend gegen die Tischkante in ihrem Rücken sinken. »Verdammt,
ich habe mir meine Eltern nicht ausgesucht«, schniefte sie nach einer Weile
leise, doch dann lächelte sie, wenn auch noch immer Tränen in ihren Augen
schwammen. »Aber dafür meine Freunde. Ich glaube, es ist Zeit für eine kleine
Wiedersehensfeier.« Und mit diesen Worten ging sie in den Flur, um das Telefon
zu holen, in der festen Absicht, sich nicht von ihrem Vater die Stimmung
vermiesen zu lassen.
Gesche hatte ihre Begeisterung lautstark zum Ausdruck gebracht, und
selbst nachdem sie das Telefonat beendet hatte, klingelten Laura noch die
Ohren. Aber es hatte gut getan, wieder mal die Stimme ihrer Freundin zu hören.
Das vergangene Jahr über hatten sie nur per E-Mail Kontakt halten können, da
Telefonieren einfach zu teuer gewesen wäre. Und Gesche hatte es sich auch nicht
nehmen lassen, sie gleich für diesen Abend zu verplanen.
»Wer war das?« Vince saß ihr gegenüber, und sie sah ihm beim Essen zu.
Sie selbst hatte sogar ein ganzes Brötchen geschafft, sich dann aber damit
begnügt, ihm dabei zuzusehen, wie er systematisch ihre Bestände leerte.
»Eine alte Freundin von mir. Sie hat uns übrigens für heute Abend
eingeladen«, erwiderte sie fröhlich. Die Wut auf ihren Vater war mittlerweile
vollkommen verschwunden.
»Und
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