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Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Titel: Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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hatte Beck jede Menge Gelegenheiten, die Verfehlungen seiner Mitmenschen aufzuspüren und dem Gesetz zu seiner Anwendung zu verhelfen. Seine Nachbarn waren alleinerziehende Mütter, Arbeitslose, Migranten, junge Männer ohne Ausbildung und Perspektive, junge Frauen auf der Suche nach jungen Männern und der Illusion von Sicherheit.
    »Und wieso habt ihr die Eltern gefunden, wenn der Krach aus einer anderen Wohnung kam?«
    »Keine Ahnung, warum die Kollegen das nicht sofort gemerkt haben. Beck hatte ihnen ja diese Adresse angegeben. Also haben sie an der Tür von den Chalids geklingelt. Beck immer hinter ihnen. Es ist der Junge, der Junge, der macht den Lärm, hat Beck gequäkt, als der Vater die Türzuschlagen wollte. Die Mutter hat losgeheult. Na ja, je­denfalls, haben die Kollegen rausgefunden, dass der Junge verschwunden ist und die Leute keine gültige Aufent­haltsgenehmigung haben. Jetzt sind sie hier. Willst du kommen?«
    »Wozu?«
    »Ich dachte, es interessiert dich vielleicht.«
    »Was sagt Fels?«
    »Der ist zu Hause und pflegt seinen Blutdruck. Morgen kommen zwei Neue. Hat er doch irgendwie hingekriegt, der Alte.«
    »Was soll werden mit den beiden?« Julia nahm das Telefon an das andere Ohr.
    »Sie müssen sich in den Fall einarbeiten, dann geht’s weiter.«
    »Nein. Mit den Chalids.«
    »Sie bleiben im Präsidium. Was sonst? Sie haben einen Abschiebebescheid.«
    »Aber ihr Sohn ist krank. Die können doch nicht ...«
    »Ein paar Tage wird es ja noch dauern. Sie haben ihren Anwalt angerufen.« Sven berichtete, dass die Familie bereits seit acht Jahren in Deutschland lebte, seit sieben Jahren geduldet. Das hieß keine Arbeitserlaubnis, kein Anspruch auf Kindergeld, Betteln beim Sozialamt. Die Duldung war jedes halbe Jahr verlängert worden, weil der Mann ein ärztliches Attest beigebracht hatte, dass er unter verschiedenen Erkrankungen litt, Diabetes zum Beispiel und einer posttraumatischen Belastungsstörung, nachdem man ihn in seinem Heimatland des Terrorismus’ verdächtigt und an seiner linken Großzehe aufgehängt hatte, die es nun nicht mehr gab. Der Leiter der Ausländerbehörde war in den Ruhestand getreten und die Duldung der Chalids war nicht verlängert worden.
    Outlaws, dachte Julia kurz, Vogelfreie. Ihr Großvater, den sie nie kennengelernt hatte, war auch einer gewesen. Aber das waren andere Zeiten.
    »Du kannst sie nicht dabehalten, Sven«, sagte sie und schloss endlich die Akte vor sich.
    »Was heißt, ich kann nicht? Ich muss. Was glaubst du denn?«
    »Ich glaube, dass es nicht in Ordnung ist, wenn man die Eltern eines schwer kranken Kindes einsperrt. Haben sie Rasid schon gesehen?«
    »Nein.«
    Julia schwieg. Im Telefon kein Laut bis auf Svens Atem.
    »Es ist nicht unsere Aufgabe ...« Svens Stimme balancierte an den Klippen entlang.
    »Ach, hör doch auf. Sie werden doch so oder so abgeschoben.«
    »Fels reißt mir den Kopf ab.«
    »Es ist auch nicht unsere Aufgabe, uns um die Belange der Ausländerbehörde zu kümmern. Oder gibt es einen Haftbefehl gegen sie.«
    »Ja.«
    Wieder langes Schweigen.
    »Ich komme nicht«, sagte Julia schließlich. »Es ist nicht mein Fall.« Sie hörte noch ein »aber«, bevor sie auflegte.
    Es war spät geworden. Windböen klatschten Regen gegen die Scheiben, schwarze Wasser. Julia brühte sich einen Kaffee und sah hinaus in die Sintflut. Das lachende Gesicht von Rose Lux fiel ihr ein. Wo mochte sie sein? Bei dem Wetter. »Es ist der gleiche Himmel, den wir teilen ...«, eine Gedichtzeile, wer weiß woher. Sie teilte ihn auch mit Rasid Chalid. Noch. Vogelfrei.
    Wie hatte sie die Mauersegler beneidet, wenn sie die Steil­küste hinabsegelten und sich vom Aufwind in die Höhe tragen ließen. Ob es in Binz auch regnete?
    Nach der Wende war sie mit Mutter und Großmutter alle Jahre, manchmal zweimal, nach Rügen gereist. Sommerfrische hatte Großmutter es genannt. Sie sagte, sie bräuchte das Meer wegen der Luft, aber Julia hatte schon damals die Vermutung, dass es nur die halbe Wahrheit war. Ein Foto hatte es von ihnen gegeben, von ihr und Großvater, wie sie am Strand spazierten, beide in gestreiften Badeanzügen, die übers Knie reichten. Der von Großmutter hatte Rüschen. Julia hatte sich fast totgelacht, aber die Großmutter hatte das Bild schweigend in die Tasche ihres Strandkleides gesteckt und war fortgegangen, stundenlang war sie nicht zurück­gekommen. Am Abend hatte sie Julia von Großvaterer­zählt.
    »1930 konntest du nicht einfach mit einem

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