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Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Titel: Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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ließ das Feuerzeug aufflammen und sah auf die Uhr. Mitternacht vorbei. Die Stunde, die vergangen sein musste, hatte jemand zu Sekunden vernäht. Ich fand mich auf einem Parkplatz direkt am Ufer der Oder wieder, der rechts an eine Mauer grenzte und links von Büschen umgeben war, die sich schemenhaft gegen den Nachthimmel abhoben.
    Ich setzte mich auf die Kaimauer, unter mir wälzte sich das Oderwasser träge der Mündung entgegen. Am anderen Ufer fuhr ein Auto entlang, die Scheinwerfer blitzten auf und verschwanden. Ich rieb mir die Stirn. Mein Kopf schmerzte. In den letzten Monaten war mir das häufiger passiert. Plötzlich stand ich irgendwo und konnte mich an nichts erinnern, wohl wissend, dass die Zeit ohne mich weitergegangen war. Zuerst waren es kurze Momente gewesen, denen ich keine Bedeutung beigemessen hatte. Doch die Zeitlücken waren länger und die Abstände, in denen sie auftraten, kürzer geworden. Ich suchte in meiner Jacke nach Kopfschmerztabletten, schraubte die Brandyflasche auf und spülte zwei Stück hinunter. Wenn ich gewollt hätte, wäre die Erinnerung wiedergekommen, ganz sicher. Ich weiß noch, dass ich an einem maroden Ortsschild vorbeigekommen war, von einem Ort, der Hintersee hieß. Danach war ich auf eine Straße abgebogen, die eher ein Feldweg war, und hatte nach einer Weile die Oder passiert. Dann wieder ein Dorf, mit einem polnischen Namen. Ich fuhr mir über die Augen. Ich war einfach müde. Das war alles. Müde und unkonzentriert. Wie viele Stunden hatte ich in den letzten Nächten überhaupt geschlafen?
    Abrupt setzte der Regen wieder ein, stärker als zuvor. Ich flüchtete ins Auto und innerhalb von Sekunden war der Wagen von einem Kokon aus Wasser umhüllt. Ich lehnte mich an und wartete auf das Ende des Dröhnens in meinem Kopf. Die Melodie im Radio brach ab, Nachrichten plätscherten weiter. »… dass die Deiche halten. Vorsorglich wurden Hunderte Bewohner aus angrenzenden Ortschaften evakuiert. Ein Krisenstab der Landesregierung ist zusammengetreten, um die Hilfsmaßnahmen zu koordinieren. In den nächsten Tagen ist allerdings weiterhin mit erheblichen Niederschlägen zu rechnen, sodass eine Entspannung der Lage noch nicht in Sicht ist.« Regen, Regen, Regen. Die Oder schwappt über. Ich stellte das Radio aus und lauschte dem Rauschen. Allmählich verschwand der Kopfschmerz, die Müdigkeit blieb. Nur ein paar Minuten, dachte ich und schloss die Augen.
    Ich erwachte umgeben von Grau.
    »Lass uns spazieren gehen«, sagte sie und lächelte.
    »Es regnet.«
    Sie hob die Schultern und ging voran auf den Wald zu.
    »Warte«, rief ich ihr nach, doch sie kümmerte sich nicht darum. »Bleib! Die Wölfe!«
    Im Gehen hob sie die Hand und winkte, plötzlich war sie weg. Wie konnte man nur so unvernünftig sein? Mein Herz schlug schneller. Ich lief ihr nach, zögerte am Waldrand, meine Kleider klebten am Körper und ich fror. Zwischen den Kiefernstämmen diffuses Licht. Honeys rotes Kleid blitzte auf und verschwand. Ich rannte, stolperte, fing mich und lief weiter. »So bleib doch stehen.« Nichts. Nur ein Fetzen Rot im Grau, dann Grau und Kiefernstämme. Sie schienen näher zurücken. Neben mir ein Knacken, mein Atem in lauten Stößen, mein Herzschlag dröhnend. Unvermittelt ein Knurren. Ich fuhr herum. Nichts. In der Ferne Rot.
    Plötzlich der Graue vor mir, den Kopf gesenkt, die Lefzen hochgezogen. Das Knurren ganz nah. Ich erstarrte. Wich zurück, langsam. Das Tier ließ mich nicht aus den Augen, folgte mir. Ich spürte einen Baum an meinem Rücken, die feuchte Borke. Neben mir noch einer und ein dritter rechts. Ich schob mich an dem Stamm vorbei. Lauf, dachte ich, lauf. Aber ich konnte nicht. Die Wölfe rückten näher. Noch einer kam hinzu und noch einer. Von allen Seiten liefen sie herbei, umrundeten mich, knurrten. Los, lauf weg. Der Erste setzte zum Sprung an. Gleich ist es vorbei. Ich stieß mich vom Baum ab.
    Ich erwachte umgeben von Grau. Mein Herz raste, stolperte und raste weiter. Ich keuchte. Kalter Schweiß im Nacken. Regen vor der Windschutzscheibe, Trommeln auf dem Autodach. Zitternd tastete ich nach der Flasche. Sie war noch da. Über der Oder hingen Regenschleier, das andere Ufer verschwamm. Weiter, nichts wie weg hier! Ich steckte mir eine Zigarette an, drehte den Schlüssel im Zündschloss und stellte die Klimaanlage hoch. Warme Luft strömte aus den Düsen. Eigentlich könnte sie besser auf der Rückbank liegen, sie sagte aber nichts.
    Eine Weile führte die

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