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Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Titel: Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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Straße am Fluss entlang. Mir kam es so vor, als sei der Wasserpegel gestiegen. Kein Wunder bei dem Regen. Die Nachrichten brachten Katastrophenmeldungen von Überflutungen durch die Neiße, irgendwo in Polen sei eine Staumauer geborsten. Doch das spielte sich viel weiter südlich ab. Hier gab es nur den Regen und meinen Wunsch, nach Hause zu fahren. Nein, nicht nur, am Fluss entlang nach Hause. Flüsse hatten etwas Magisches. Und etwas Gefährliches. Ich hatte nicht mehr daran gedacht, bis ich sie getroffen habe.
    Die ersten sechs Jahre meines Lebens hatte ich am Rheinverbracht, in einem großen, stillen Haus direkt am Fluss. Jeden Tag blickte ich auf die Containerschiffe, Ausflugsdampfer und Motorboote, die vorüberfuhren. Florian und ich winkten ihnen vom Fenster aus zu. An einem Wintermorgen umhüllt von Nebel, mein Bruder war gerade drei, verschwand er unterm Eis. Der Rhein hielt Florian fest und gab ihn nie wieder frei.
    Danach zogen wir weg vom Rhein, und ich bekam ein neues Zimmer in einem anderen stillen Haus und die Berkel. Keine Schiffe mehr, nicht die letzten gut hundert Jahre. Jemand hatte behauptet, dass die Berkel bis zum Ende des19. Jahrhunderts von Coesfeld bis hin zur Mündung in die holländische Ijssel schiffbar gewesen sein soll. Ich hatte nur meine Papierschiffchen auf das Wasser gesetzt und ihnen nachgeschaut. Mutter hatte mich nicht aus den Augen gelassen. Nie mehr.
    Die ersten Jahre brachte sie mich zur Schule und holte mich wieder ab. Sogar zum Gymnasium begleitete sie mich, obwohl das Heriburg keine Viertelstunde Fußweg entfernt lag, und hörte erst damit auf, als Vater es ihr verbot. Der Junge muss selbständiger werden, sagte er und wandte sich ab angesichts ihrer Tränen. Von da an wartete sie jeden Mittag zitternd auf meine Rückkehr.
    Irgendwann kam Isabell. Sie war nicht gewillt, mit meinen Eltern in einem Haus zu leben, und ich ergriff die Chance. Zwar zogen wir nur wenige Häuser weiter in eine Wohnung, die meine Eltern anfangs mitfinanzierten, nachdem ich mein Germanistik- und danach das Informatikstudium in Münster abgebrochen hatte und mich arbeitslos melden musste, dennoch fühlte ich mich besser. Isabell regte sich jedes Mal furchtbar auf, wenn sie von der Arbeit kam und meine Mutter wieder ein Mittagessen vorbeigebracht hatte. Wir brauchen deine Mutter nicht, sagte sie, ich kann selbst kochen. Sie meint es doch nur gut, wollte ich ihr erklären. Doch wenn ich es aussprach, blitzte sie mich an, stapfte in die Küche und begann Kartoffeln zu schälen und Möhren zu putzen. Isabell war eine unabhängige Frau und eine grauen­hafte Köchin. Wenn ich es besser könne, solle ich mich doch um die Mahlzeiten kümmern, ich habe schließlich den ganzen Tag Zeit, warf sie mir vor.
    Tatsächlich war es mir unangenehm, fast nichts zum gemeinsamen Haushalt beizutragen. Was sollte ich tun? Ich hatte verschiedene Bewerbungen geschrieben und sie mit Standardablehnungen zurückerhalten. Germanistik- und Informatikabsolventen gab es ohnehin schon zu viele, und mein fehlender Abschluss machte es auch nicht leichter. Ich schlug mich mit Jobs durch: nachts an der Tankstelle bei von Bronk , Ware packen im Real , Redakteur bei den Streiflichtern : Viele Abende verbrachte ich bei Veranstaltungen der Taubenzüchter- oder Schützenvereine. Manchmal wurde es spät. Danach machte ich kleine Abstecher in die Spielhallen und gewann. Oft. Das waren großartige Tage. Endlich Geld in der Tasche. Dann kaufte ich Isabell etwas Hübsches, einen Ring oder ein Parfüm. Anfangs freute sie sich über die Aufmerksamkeiten. Als sie herausfand, woher das Geld kam, mit dem ich sie bezahlte, gab sie mir die Dinge zurück. Ich will das nicht, sagte sie. Du musst einen richtigen Beruf haben. Doch ich fand keinen, und irgendwann gewann das Pech.
    Die Landstraße lag schnurgerade vor mir. In der Ferne, wo sich die Straßenränder zu einem Nadelöhr verengten, blinkten orangefarbene Lichter und zuckten blaue Rundumleuchten. Ich hatte Hunger. Und Durst. Kein Haus und gleich gar kein Gasthaus weit und breit. Ich ließ das Seitenfenster herunter. Frische Luft strömte herein und Regentropfen fielen auf die Kunststoffverkleidung.
    Mit ihr war alles anders gekommen, als ich mir erhofft hatte, damals, erst einmal. Sie wollte mir schreiben, hatte sie nach diesem ersten Abend gesagt. Ich weiß nicht, wie oft ich in den folgenden Tagen meinen E-Mail-Account öff­nete, keine ungelesenen E-Mails, und wieder schloss. Manchmal fuhr ich

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