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Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Titel: Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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weißt du auch, was passiert ist? Sie hat die Scheune am Hof niedergebrannt.«
    Davon war nichts mehr zu sehen gewesen, aber es war auch schon sechs Jahre her, und Gras war über die Sache gewachsen, nur für die Mutter nicht.
    »Warum kümmerst du dich eigentlich um den Fall?«
    »Ich kann nicht schlafen.« Sie hörte ihn in den Hörer atmen.
    Julia fragte sich, ob es überhaupt Menschen gab, die nachts schliefen. Ihr fiel niemand ein.
    »Also gut«, sagte sie. »Dann besuche ich morgen den Bewährungshelfer und spreche noch einmal mit der Mutter.« Vielleicht wusste auch die Achenbach von der Verurteilung und hatte deshalb Vorbehalte gehabt. Aber hätte sie das Julia nicht sofort unter die Nase gehalten? Mein Sohn und eine Kriminelle? So etwas in der Art?
    »Hast du was zu den Tätern im euerm Fall rausgefunden?« Julia hatte sich am Abend nicht mehr mit Sven upgedatet.
    »In unserem Fall. Ja, genau. Nein. Nichts. Niemand hat was gesehen, keiner hat was gehört und für den kleinen Chalid interessiert sich auch niemand. Es ist wie verhext. Und ich hab eine Stinkwut.«
    »Die Eltern würden sich schon interessieren, wenn man sie ließe«, sagte Julia scharf.
    »Aber es gibt einen Beschluss. Is mal so. Der Vater reist morgen.«
    »Reisen ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort.«
    Conrad ließ sich nicht darauf ein. »Ich greif mir morgen mit Sven den Kumpel von Rasid. Irgendwo muss der doch aufzutreiben sein. Am besten wäre, ich fahr gleich hin.«
    »Ausgezeichnete Idee. Die werden sich freuen, nachts um zwei die Polizei vor der Tür zu haben.«
    »Vielleicht sind sie ja noch auf. Du bist ja auch wach. Und der Junge wird sich ja hoffentlich in seinem Bett aufhalten. – Also gut. Morgen«, räumte er ein und verabschiedete sich mit guten Wünschen für Julias Schlaf. Der aber kam nicht, wie sehr sie auch das Lichtviereck darum bat. Brandstiftung, echote es in ihrem Kopf, inzwischen war es zwanzig vor drei. Morgen würde ein langer Tag werden. Raus nach Goxel zu Roses Mutter, die Achenbach noch einmal befragen, den Bewährungshelfer treffen, endlich eine Runde laufen, Bayers Bücher sortieren – warum hatte sie das eigentlich vorgeschlagen? – abends mit dem Typen, der Mark hieß, ins Alter Ego . Brandstiftung …
    Feuer flammten auf. Damals am Kalki mit Gitarrenspiel und Küssen, das Osterfeuer bei Maria Böses Kotten mit Bier und Gelächter. Es züngelte nach dem Brand im Ausländerwohnheim am Stadtrand von Düsseldorf, zwei Leichen mit verkohlten Gesichtern, erfasste Theresienstadt und Ausch­witz. Julia riss die Augen auf mit klopfendem Herzen, keuchte. Beinahe wäre sie eingeschlafen. Sie schwang die Beine aus dem Bett und trank einen großen Schluck Wasser, aber ihr Herz beruhigte sich nicht. Das Lichtviereck an der Decke hatte sich nicht fortbewegt. Nach einer ganzen Weile fasste sie sich. Was wollen Sie, hatte Bayer gefragt. Sie legte sich auf den Boden und holte die Kiste unterm Bett hervor. Der Hefter war noch da. Alles war noch da. Auch der Groll auf ihre Mutter.
    Großvater hatte Glück gehabt. Zunächst. Herbert hatte nicht so viel davon gehabt. Er war ins Gas gegangen, mit acht, zusammen mit seiner Mutter, seiner Tante, seinem Onkel und seinem Cousin. Jahrzehnte später hatte Julias Großmutter das Silberbesteck der Familie, einen Lippenstift der Tante und ein goldenes Feuerzeug des Onkels von der Jüdischen Gemeinde entgegengenommen. Johanna hatte die Dinge auf den Tisch gelegt, und Julia hatte mit der Fingerspitze darübergestrichen mit einem Finger darüber, als würden sie einer festeren Berührung nicht standhalten und zu Staub zerfallen. Julias Mutter hatte die Sachen schließlich mit steifem Rücken auf den Dachboden getragen.
    Ob Rasid Glück haben würde? Sie nahm sich ein Glas Rotwein aus einer seit drei Tagen geöffneten Flasche im Kühlschrank. Drei Uhr siebzehn.
    Es hatte die ganze Nacht hindurch geregnet, und als es hell wurde, verwandelte sich der Landregen in eine Sturzflut. Die Regenrinnen und Gullys fassten die Wassermassen kaum. Unter der Dusche hörte Julia ihren Wecker klingeln. Immer klingelte irgendetwas, wenn sie duschte. Hätte sie einen Mann, könnte der den Wecker ausmachen, ans Telefon oder an die Tür gehen. Das Singleleben war beschissen. Außerdem war der Kaffee alle, stellte sie fest, nachdem sie sich abgetrocknet und dem Störenfried eins auf die Nuss gehauen hatte.
    Kaum hatte sie sich etwas übergeworfen, das zuoberst auf einem Stapel gelegen hatte, hupte es auf

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