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Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Titel: Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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dem Dach.
    Der Wagen vor mir rollte an, der Verkehr wälzte sich weiter durchs Wasser. Allmählich gewann er an Fluss und ich glaubte schon, der Stau würde sich auflösen, als das Auto meines Vordermanns schlingerte und sich schräg zur Fahrbahn stellte. Ich stoppte. Ein Dicker schnellte aus dem Auto vor mir und rüttelte an der Tür des Wagens, auf den er aufgefahren war. Meine Scheinwerfer beleuchteten ihn und den Alten, den er vom Fahrersitz hochriss, nach draußen zerrte und gegen den Wagen drückte. Dann zwei kurze Schläge, der Kopf des Alten schwang hin und her. Der Dicke ließ von ihm ab, und der Alte sackte in die Knie. Mit den Armen fuchtelnd schrie der Dicke etwas, dass ich durch den Regen nicht verstand. Es interessierte mich auch nicht. Ich wollte hier weg. Nach einer Weile schien sich der Dicke soweit zu beruhigen, dass er einstieg und telefonierte.
    Eine Zeit lang geschah nichts, als dass der Regen rauschte. Ich kam mir vor wie in einem Aquarium oder vielmehr wie unter Wasser. Isabell. Die bleiche Haut, die blauen Lippen, Nymphenhaar. Jemand hatte sie erschossen, während sie an einem friedlichen Sommertag ihre Runden im türkisfarbenen Wasser schwamm, hatte mir der Bulle verraten. Ich fragte mich, wer sie gehasst haben musste. Nicht, dass ich besonders gut auf sie zu sprechen gewesen wäre. Ich machte mir Sorgen, man würde mich verdächtigen. Ich war dort gewesen. Aber nichts geschah, niemand fragte mich. Wahrscheinlich hatte sie meine Telefonnummer gelöscht und meine Briefe entsorgt. Sie hatte einen Schnitt gemacht, einen gründlichen. Nach einer langen Zeit, deren Dauer ich heute nicht mehr bemessen konnte, schickte mir der Bulle eine Mail mit einem Link zur Allgemeinen Zeitung. Junge Männer, einundzwanzig und dreiundzwanzig, waren zu zwei bzw. zehn Jahren Haft verurteilt worden. Es war ein Spiel, eine Wette gewesen: Wer den Kopf trifft, hat gewonnen. Der Einsatz hatte bei fünfzig Euro und einer Kiste Bier gelegen. Der Erste hatte gewonnen. Kein Hass, nichts als ein Spiel. Nur ein winziges Loch im Schädel. Das Gefühl zwischen Schmerz und Genugtuung hatte einige Minuten angehalten, danach hatte ich die Mail gelöscht.
    Rechts neben mir wieder Blaulicht, langsam kroch es heran. Der Alte sprang aus seinem vermutlich verbeulten Wagen und versperrte mit wedelnden Armen dem Streifenwagen den Weg. Zwei Polizisten in Regenmänteln versuchten, ihn zu beruhigen, der Dicke gesellte sich zu ihnen. Honey interessierte sich nicht für das Geschehen draußen, aber ich beobachtete das Hin und Her zwischen den Streitenden, bis einer der Polizisten auf unser Fahrzeug zukam und an die Scheibe klopfte. Ich kurbelte sie herunter. Der Strahl seiner Taschenlampe traf mein Gesicht, rutschte ab und glitt über ihre Gestalt.
    »Haben Sie den Unfall beobachtet?«, fragte der Tropfende.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ihr Frau vielleicht?«
    »Wir hatten erheblichen Abstand und bei dem Wetter …« Mir schlug das Herz bis zum Hals.
    »Wir brauchen Sie trotzdem als Zeugen. Sie werden ja mitbekommen haben, was nach dem Unfall passiert ist.«
    »Nein, nichts. Ich habe gar nichts gesehen.«
    »Heißt das, dass nichts passiert ist?« Er hatte ein jungenhaftes Gesicht mit einer Stupsnase. Der Schein der Lampe streifte Honey. Sie hielt den Kopf gesenkt. Ihr Haar schimmerte.
    »Ich weiß nicht, was passiert sein soll, ich habe nichts gesehen.«
    »Kann ich bitte Ihren Führerschein und die Fahrzeug­papiere haben?«
    Scheiße. Um Zeit zu gewinnen, kramte ich den Führerschein aus meiner Brieftasche und hoffte inständig, dass die blonde Eigentümerin des Currywurstgolfs leichtsinnig genug gewesen war, nicht auf ihre Eltern zu hören. Während der Polizist meinen Führerschein inspizierte, klappte ich die Sonnenblende herunter und hörte das Rumpeln des Steins, der mir vom Herzen fiel, um sofort einem neuen Platz zumachen. Wenn der Typ nur nicht auf die Idee kam, die Daten in seinem PC abzugleichen. Er kam nicht. Höflich lächelnd gab er sie mir zurück, und das Felsmassiv, das auf meinem Herzen gelastet hatte, polterte zu Tal. Der uniformierte Junge ging zurück zu den drei anderen, die sich sichtlich beruhigt hatten und schlüpfte mit ihnen in den Streifenwagen.
    Ich musste eingenickt sein, denn plötzlich war der Streifenwagen verschwunden und ein Fahrzeug vom Abschlepp­dienst verlud das Auto des Dicken. Als er fertig war und losfuhr, hängte ich mich an ihn dran. Nach etwa zwei Kilometern Fahrt auf dem Seitenstreifen

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