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Die Spuren der Seele

Die Spuren der Seele

Titel: Die Spuren der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Fasel , Ruediger Dahlke
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zu bekommen. Sie ziehen sich neuerdings in sogenannte Backoffice-Positionen zurück, wo sie, ohne Verantwortung zu tragen, Archive und anderes bearbeiten. Gleichsam abgelegt in der Ablage, leben sie auf kleinerem Fuß . Diejenigen, die die Fäden spinnen, bevölkern das Frontoffice. Auch Menschen, die auf der Karriereleiter gegen ihren Willen zurückgestuft wurden, oder Hausfrauen, die ihr Potenzial nicht leben, erleiden ebenfalls nicht selten solche Schrumpfungsprozesse im Bereich der Fühler ihrer Wurzeln, denn als solche fungieren die Zehen auch.
    Beim Kleinerwerden der Füße kann es sich aber auch nur um ein vorübergehendes Festkrallen handeln, das heißt, die Betreffenden ziehen sich zurück, um zu regenerieren und später neu durchzustarten. Eingezogene Zehen können in diesem Zusammenhang zu einer chronischen Haltung werden – wie eine permanent angespannte und schließlich steif werdende Nackenmuskulatur zur Vorstufe von Hartnäckigkeit. So können sich tatsächlich Krallenzehen entwickeln, die sich schlimmstenfalls sogar zu Hammerzehen auswachsen (siehe auch Die Zehen - die unteren Fühler ).
Das Thema Schuhe oder Martyrium und Mysterium weiblicher Wurzeln
    In Zeiten des Patriarchats konnten beziehungsweise durften Frauen nicht allein stehen , galten sie doch gar nicht als wirklich erwachsen, groß und selbstständig, sondern hatten immer hübsch klein und bescheiden zu bleiben. An ein eigenständiges Leben auf eigenen Beinen oder gar auf großem Fuße war für sie nicht zu denken. Selbst eigenes Denken sollten sie nicht übertreiben. In der Vergangenheit konnten und durften Frauen weder selbst- noch eigenständig werden. Sie sollten nie auf jemanden stehen , nicht einmal neben ihrem Mann, ihm höchstens zur Seite, eigentlich sollten sie ihm lediglich als ihrem Herrn zu Füßen liegen und dienen. Ihre Aufgabe bestand praktisch darin, schön, und das hieß zierlich, zu sein, darin einem Bonsai nicht unähnlich, den man auch durch konsequentes Beschneiden seiner Äste nicht in den Himmel wachsen lässt, sondern künstlich klein hält. Bis vor nicht so langer Zeit liebten Männer Sätze wie: »Darf ich Ihnen meine kleine Frau vorstellen?« All dies galt zumindest für die Frauen der gehobenen Klasse, die aber auch den Standard für jene Frauenmehrheit setzte, die ein Leben lang schuftete.
    Der Verdacht liegt nahe, dass sie alle nicht besonders stabil im Leben verankert sein sollten. Die Tänzerin im Tutu und auf Zehenspitzen verstärkt und betont diesen Eindruck von geringer Bodenhaftung bewusst und hat im Idealfall zierlich kleine Füße. Die Geisha mit kleinsten Füßen und klein geschminktem Mund bietet ein typisches Bild einer Männern des Patriarchats angenehmen Frau. Die chinesische Frau der klassischen Zeit verkrüppelte sich ihre Füße freiwillig und absichtlich, damit sie nicht wachsen konnten, denn natürliche große Füße galten als schrecklich hässlich.
    Noch erstaunlicher aber als dieser verstümmelnde Albtraum der Vergangenheit ist die Gegenwart, in der ähnliches Elend lebendiger ist, als man denkt. Denn tatsächlich martern sich bis heute moderne Frauen wie die Stiefschwestern von Aschenputtel oder die Frauen des alten China und tun ihren Wurzeln Ähnliches an. Wer zu kleine Schuhe trägt, riskiert nicht nur einen Hallux valgus , sondern quält sich durch ein schmerzvolles Leben, das von den Wurzeln her nicht stimmt und alles andere als vital ist. Künstlich auf kleinerem Fuße zu leben, als einem genetisch bestimmt ist, führt zu einem unnatürlichen und schmerzhaften Martyrium.
    Die Argumente moderner Frauen sind dabei von erschreckender Vordergründigkeit: Große Damenfüße würden nur schwer Schuhe finden, in südlichen Ländern schon gar nicht. Italienische Schuhe sind aber eine Provokation für die meisten Frauen, und so zieht ein Drama das nächste nach sich.
    Das männliche Prinzip beherrscht wie nie zuvor die moderne Welt, jedoch gelten alle männlichen Aspekte in körperlicher Hinsicht bei Frauen als ausgesprochen hässlich. Großes Kinn, eine entsprechende Nase, breite Schultern, dicke Waden oder gar Bartwuchs und eben große Füße werden zu Albträumen.
    All das belastet das Thema (Stöckel-)Schuhe von Anfang an. Nicht wenige Frauen entwickeln hier eine beachtliche Sammelleidenschaft, die oft Suchtcharakter annimmt. Frau Marcos, die Ex-First-Lady der Philippinen, musste über dreitausend Paar originalverpackte Schuhe in ihrem Palast zurücklassen, als ihr Mann vertrieben

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