Die Staatskanzlei - Kriminalroman
„Er wird das vermutlich schlucken. Ihm steht das Wasser bis zum Hals, Spekulationen mit Zertifikaten. Er braucht das Geld.“
Auch Baumgart erhob sich, um seinen Besucher zur Tür zu bringen. „Umso besser, dann zieh die Sache durch. Sobald du Klarheit hast, ruf mich an, damit ich meinen Partner informieren kann. Er wird sich um den Kaufvertrag kümmern. Ein Anwalt in Berlin wird das Ganze abwickeln. Übrigens, was macht die Kleingartenkolonie in Ricklingen? Du weißt, wie sehr mir das Bauvorhaben am Herzen liegt.“
„Da kann ich momentan nichts machen. Wir müssen den Landesparteitag Ende Januar in Braunschweig abwarten. Dann wird der Spitzenkandidat gekürt und wir sehen weiter.“
„Du gehst nach wie vor davon aus, dass der Ministerpräsident nicht mehr antreten wird?“
„Der neue Regierungschef wird Alfred Bitter heißen. Der Ministerpräsident hat keinen Bock mehr. Für mich erleichtert das vieles. Zwischen Albi und mir passt kein Blatt Papier.“ Der Politiker lächelte versonnen. Er hatte längst von dem Gerücht um den bevorstehenden Rückzug des amtierenden Regierungschefs gehört, auch dass ein Newcomer namens Uwe Stein sich warmlief. Sein Besucher schaute auf seine mit Brillanten besetzte Armbanduhr. „Ich muss dringend in den Landtag“, stellte er fest und stand auf. Eine hastiger Abschied und weg war er.
Wieder allein gelassen nippte Baumgart nachdenklich an dem inzwischen kalt gewordenen Cappuccino. Die Legende, die über Mahows Motive verbreitet wurde, entsprach nicht der Wahrheit. Eifersucht, Liebeskummer, so ein Schwachsinn! Milners Männer für die Drecksarbeit kannten keine Gefühle. Sie waren brutal und eisenhart.
Für ihn stand fest, dass der Russe seinen Adlatus fürs Grobe auf die Beamtin angesetzt hatte. Und als sie im Auftrag der Landesregierung hinter ihm her geschnüffelt hat, hat er sie niederschlagen lassen. Genau so und nicht anders war Boris Milner gestrickt.
74
Die Soko Heise war dezimiert. Einige Beamte waren neu an Grippe erkrankt, andere befanden sich bereits im Weihnachtsurlaub. Der verbliebene Rest machte einen lustlosen Eindruck. Nachwirkungen der Weihnachtsfeier, die erst gegen drei Uhr nachts ein Ende gefunden hatte. Selbst Assistentin Schramm wirkte ausnahmsweise nicht taufrisch, was Verena mit Genugtuung erfüllte.
Inga, die den muntersten Eindruck in der müden Truppe machte, referierte die abschließenden Ergebnisse der kriminaltechnischen Analyse im Mordfall Niemann. Zuletzt waren doch noch DNA-Spuren sichergestellt worden, die mit DNA-Spuren an Heises Jackett übereinstimmten. Der schlechtere Teil ihres Berichts war, dass diese definitiv nicht von Gesine Terberg stammten. Ein älterer Beamter, der wiederholt ungeniert gähnte, fasste die Ergebnisse der Gespräche mit Niemanns Nachbarn und Freunden zusammen. Anhaltspunkte auf die potenzielle Täterin gaben sie nicht her. Die Beamtin, die Niemanns Notebook und Telefonverzeichnisse noch einmal gründlich gecheckt hatte, hatte ebenfalls nichts Aufschlussreiches zu vermelden.
Nach einer Stunde erklärte Verena zur Erleichterung der abgeschlafften Versammlung die letzte Sitzung der Soko Heise in diesem Jahr für beendet. Ab dem frühen Nachmittag würden die meisten Polizeibeamten ihren Weihnachtsurlaub antreten. Zwischen den Feiertagen würde nur eine Notbesetzung des LKA an Bord sein. Verena selbst würde arbeiten. Auch ihre Assistentin würde auf Urlaub verzichten. Der Beamte Kleinsorge, ein Mann, der die Arbeit nicht erfunden hatte, hatte sich daraufhin ebenfalls dienstbereit gemeldet.
Wieder in ihrem Büro entdeckte Verena auf ihrem Schreibtisch eine Weihnachtskarte. Das Niedersachsenross mit Nikolausmütze und einem Adventskranz um den Hals sprang ihr entgegen. Darunter die Aufschrift „Frohe Weihnachten aus dem schönen Niedersachsen“. Auf der Rückseite hatte Bernd Wagner unterschrieben. Sie beförderte die Karte in den Papierkorb. Für nichtssagende Weihnachtskarten hatte sie noch nie etwas übriggehabt.
Dann machte sie sich über ihre Maileingänge her. Die Weihnachtsgrüße von Kollegen aus anderen Abteilungen und Dezernaten löschte sie. Inzwischen war es halb vier geworden und draußen bereits dunkel. Verena hätte am liebsten alles stehen und liegen lassen. Heiligabend stand vor der Tür und ihre Einkäufe waren noch nicht erledigt. Auch der Butterstollen aus der Kakaostube musste noch abgeholt werden. Ihr Blick fiel auf die noch immer ungelesene Akte der Polizeidienststelle Laatzen. Sie
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