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Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Statt der gewohnten Vitalität strahlte er Unlust aus. Verena übersah den taxierenden Blick, mit dem er sie musterte, und nahm unaufgefordert ihm gegenüber am Schreibtisch Platz.
    Mit den Worten „Ich bin so gut wie weg, eigentlich bin ich gar nicht mehr da“ gab er ihr zu verstehen, dass er gedanklich längst im Weihnachtsurlaub war. Verena ließ sich davon nicht beeindrucken. „Wir haben sie“, begründete sie ihr unangemeldetes Erscheinen. „Dieses Mal bin ich mir ganz sicher.“
    Sie hatte damit gerechnet, dass ihr Chef freudig überrascht reagieren würde. Auf seinem Gesicht war jedoch keine Reaktion zu erkennen. Seine Stimme klang unbeteiligt. „So, so, Sie haben sie. Haben Sie nicht noch gestern gesagt, dass Sie keine wirklich heiße Spur haben? Übrigens, Sie waren gestern Abend sehr schnell verschwunden. Sie hatten es wohl eilig, wegzukommen?“
    Seine Stimme hörte sich vorwurfsvoll an. Sie interpretierte das in ihrem Sinne. Er hatte sie also vermisst. Wie schön!
    „Sie waren in ein Gespräch vertieft, da wollte ich nicht stören. Und zu Ihrer Frage: Ja, ich bin mir sicher. Es stimmt alles. Sie heißt Maria Schneider, kannte sowohl Heise als auch Niemann, ist zweiundvierzig Jahre alt, Besitzerin eines Polos und leidet seit ihrem siebzehnten Lebensjahr an paranoider Schizophrenie. Es gab lange Phasen, in denen sie gesund war. Die Krankheit hat sie aber nie wirklich losgelassen. Sie hatte immer wieder Schübe, zuletzt in der Zeit des Unfalls ihres Mannes vor drei Jahren, der übrigens kein Unfall, sondern Selbstmord war, was aber als gut gehütetes Geheimnis behandelt wurde, bis vor einer Stunde jedenfalls. Ich habe mit dem Personalratsvorsitzenden der Staatskanzlei gesprochen. Er hat eingeräumt, dass der peinliche Vorfall nicht an die große Glocke gehängt werden sollte.
    Sie hatte es geschafft, sein Interesse zu wecken. Gespannt folgte Ritter ihren Ausführungen. Ihr Resümee lautete: „Jede einzelne Hypothese, die Dr. Bertram in den Raum gestellt hat, trifft auf sie zu. Maria Schneider lebt zurückgezogen und gilt als Eigenbrötlerin. Ihr unmittelbarer Vorgesetzter hat ausgesagt, dass sie sich von allen fernhalte. Er wusste übrigens von ihrer Krankheit. Sein Amt ist angehalten, auch Schwerbehinderte zu beschäftigen.“
    „Schön und gut, wir haben es allerdings mit einer Person zu tun, die mit der Pistole bestens vertraut ist“, wandte Ritter ein.
    „Sie hat den Behindertenstatus aufgrund ihrer psychischen Erkrankung, nicht wegen körperlicher Gebrechen. Als Jugendliche war sie Mitglied im Schützenverein.“
    Der Direktor war noch immer nicht überzeugt. „Aber weshalb erst jetzt, wenn das Unglück drei Jahre zurückliegt?“
    „Sie war fast ein Jahr in stationärer Behandlung, zunächst in der Medizinischen Hochschule, dann in einer Klinik in Bad Essen. Stollmann hat mit dem zuständigen Facharzt in der Medizinischen Hochschule gesprochen. Er wollte nicht ausschließen, dass die Krankheit erneut ausgebrochen ist. Maria Schneider befindet sich zwar in ärztlicher Behandlung und muss Medikamente einnehmen, aber niemand kann letztlich kontrollieren, ob sie die Pillen tatsächlich schluckt. Mit dem Hausarzt haben wir auch telefoniert. Sie holt die Rezepte für die Medikamente regelmäßig ab, das letzte vor einer Woche. Und ihre Krankenkasse hat bestätigt, dass die Rezepte immer eingelöst wurden. Das bedeutet aber nicht, dass sie die Pillen tatsächlich nimmt. Und wenn nicht, droht ein Rückfall.“
    Ritter stand auf, ging zum Besuchertisch und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Verena merkte erst jetzt, wie trocken ihr Hals war. Er bot ihr nichts an, wandte ihr den Rücken zu. „Da haben Sie und Ihre Leute ja in kurzer Zeit eine Menge in Erfahrung gebracht, meine Hochachtung, Frau Kollegin. Also gut, nehmen wir mal an, sie hat die beiden Beamten umgebracht, weil sie sich in ihrem Wahn einbildet, sie seien für den Selbstmord ihres Mannes verantwortlich, oder weil sie glaubt, Befehle zu bekommen. Nur, wir haben keinen einzigen Beweis in der Hand.“
    Bevor sie dagegenhalten konnte, fuhr er fort. „Drei Jahre liegt der Unfall zurück, sagten Sie. Ich gehe nicht davon aus, dass in der Staatskanzlei Alzheimer ausgebrochen ist. Weshalb haben wir von der Sache nicht früher erfahren und weshalb erst aus einer Akte der Polizeidienststelle Laatzen?“
    Verena räusperte sich, sie schielte zur Flasche Wasser. Er bemerkte ihren Blick, bot ihr aber nichts an.
    „Eine berechtigte Frage, die ich

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