Die Staatskanzlei - Kriminalroman
nicht nur mir gestellt habe. Wie ich bereits sagte: Der Personalratsvorsitzende Ballauf hat eingeräumt, dass der sogenannte Unfall nicht an die große Glocke gehängt werden sollte.“
Endlich bot er ihr ein Glas Wasser an. Verena stürzte es mit einem Schluck herunter. Ihr Vorgesetzter hatte eine Erklärung parat. „Vielleicht können sie nicht anders. Wenn du dein Leben lang lernst, dich wegzuducken, und ein Wort zu viel das Ende deiner Karriere bedeuten kann, hältst du lieber deine Klappe.“ So viel Sarkasmus hatte sie ihm gar nicht zugetraut. Dann traf er eine Entscheidung. „Okay, dann nehmen wir uns die Dame mal vor und vergleichen ihre DNA mit der DNA, die wir bei den Leichen gefunden haben. Wenn Sie recht haben, werden wir sie auf diese Weise überführen.“
Verena schüttelte den Kopf. „Die Zeit haben wir nicht. Es gibt noch eine dritte Person, die damals mit der Personalie Schneider befasst war: Bernd Wagner, der Regierungssprecher. Auch er hat es abgelehnt, den Mann in seinem Team zu beschäftigen. Leider konnten wir ihn trotz intensiver Bemühungen bisher nicht erreichen. Sein Handy hat er ausgeschaltet. Angeblich ist er in der Stadt unterwegs. Ich habe vorsorglich einen Streifenwagen zu seiner Wohnung geschickt. Wir müssen die Frau in Gewahrsam nehmen, und zwar sofort. Einen Golf fährt sie übrigens auch. Was, wenn sie auch Wagner töten will, vielleicht in diesem Moment die Vorbereitungen trifft? Ich möchte die Verantwortung nicht übernehmen, wenn etwas passiert. Stollmann ist bereits unterwegs zum Gericht und wird hoffentlich in einer Stunde mit richterlichem Haftbefehl und Durchsuchungsbeschluss zurück sein. Staatsanwalt Engelbrecht ist informiert und hat versprochen, das Ganze zu beschleunigen.“
Ritter warf einen Blick auf seine Uhr. „Falls sie tatsächlich einen dritten Mord plant und das heute passieren soll, haben wir noch zwei Stunden Zeit. Beide Morde fanden nach 20 Uhr statt.“
Irgendwie beruhigte Verena das nicht, denn niemand konnte ausschließen, dass sie dieses Mal von ihrem Muster abweichen würde. „Ich möchte zu ihr fahren, jetzt gleich. Sie wohnt in der Gellertstraße, in einem Altbau in der zweiten Etage. Vermutlich ist außer ihr niemand in dem Haus. Die Mitarbeiter der Anwaltskanzlei im Erdgeschoss dürften in die Weihnachtsferien aufgebrochen sein und die erste Etage steht leer.“
Der Direktor erhob sich, ging zum Fenster und schaute hinaus. „Das haben Sie in der kurzen Zeit auch schon festgestellt. Wirklich bemerkenswert. Trotzdem ein entschiedenes Nein. Das kommt überhaupt nicht infrage. Keine Alleingänge, schon gar nicht bei einer Wahnsinnigen. Wir warten ab, bis Stollmann zurück ist. Das ist ja keine Weltreise zum Volgersweg. Auf ein oder zwei Stunden kommt es jetzt auch nicht mehr an. Beamte des MEK 1 sollen mitkommen, Stollmann auch. Allein betreten Sie die Wohnung dieser Verrückten nicht!“ Ritters Stimme klang schneidend.
Verena atmete tief durch. Obwohl ihr Puls verrückt spielte und sie vor Aufregung schwitzte, bemühte sie sich um einen gelassenen Tonfall. Nichts schreckte Vorgesetzte mehr ab als aufgebrachte Mitarbeiterinnen, die sich nicht im Griff hatten.
„Wir haben keine andere Wahl. Wollen Sie verantworten, dass die Frau vielleicht in der nächsten Stunde mit einer Sauer Backup in der Handtasche ihre Wohnung mit der Absicht verlässt, erneut einen Menschen zu erschießen? Jetzt, wo wir Kenntnis von ihr haben, müssen wir unverzüglich handeln. Ich werde zu ihr fahren und mit ihr sprechen. Dazu braucht es keinen richterlichen Beschluss.“
„Das werden Sie nicht tun. Die Frau ist komplett verrückt. Sie kann überreagieren und Sie abknallen, nur weil sie mit ihr sprechen wollen. Das Risiko ist zu hoch.“
Verena war nicht bereit nachzugeben. In zwanzig Dienstjahren hatte sie gelernt zu kämpfen. „Vor Ihnen steht eine erfahrene Kriminalbeamtin, kein Greenhorn und ich habe nicht vor, mich in Gefahr zu bringen. Es geht darum, die Frau in ein Gespräch zu verwickeln, bis Stollmann mit den Gerichtsbeschlüssen erscheint. In der Weihnachtszeit haben die Paketdienste Hochkonjunktur. Ich werde klingeln und mich als Paketzustellerin ausgeben.“
Ritter, der wieder hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hatte, schlug mit der Faust auf die Tischplatte. „Verdammt noch mal, sind Sie schwerhörig? Ich habe mich doch klar und deutlich ausgedrückt. Keine Alleingänge, habe ich gesagt.“
Vielleicht macht er sich Sorgen um mich, ging
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