Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Bäume und mit Folien abgedeckte Blumenkübel von tristem Winterwetter. Vor der Doppelgarage der schmucken Villa parkte ein silberfarbener Jaguar, daneben ein BMW X5. Die Geschäfte des Konsuls schienen einträglich zu sein.
Die Haustür öffnete sich und ein Mann in roter Livree kam heraus. Mit einer angedeuteten Verbeugung öffnete er die Beifahrertür. „Herzlich willkommen, Herr Ministerpräsident, der Herr Konsul erwartet Sie bereits. Für Ihren Fahrer hat die Köchin ein Frühstück vorbereitet.“ Fragend schaute der Livrierte in Wagners Richtung. „Mein Pressesprecher, er nimmt am Gespräch mit dem Konsul teil“, machte der Ministerpräsident klar.
Sie wurden ins Haus komplimentiert. „Wenn die Herrschaften mir bitte folgen wollen.“
Die um die 100 m 2 große Eingangshalle öffnete den Blick auf die Terrasse, mitten drin ein Swimmingpool, davor ein mit künstlichen Kerzen dekorierter Tannenbaum.
„Wenn Sie bitte warten wollen, ich bin gleich wieder bei Ihnen“, beschied er dem Fahrer. „Für Sie, Herr Ministerpräsident, und Ihre Begleitung wurde im Esszimmer ein kleines Frühstück vorbereitet.“
Während Wagner hinter dem Chef und dem Butler her trottete, verdrehte der Fahrer die Augen. Eine für den Regierungssprecher nachvollziehbare Reaktion auf das gestelzte Benehmen des Butlers.
Die Maße des Esszimmers entsprachen denen von Wagners Wohnung. Nicht die Mahagonimöbel aus dem vorigen Jahrhundert, die ein Vermögen gekostet haben dürften, erweckten seine Aufmerksamkeit, das ausladende Gemälde über dem Esstisch war es, das ihn faszinierte. Eine splitternackte Frau, im Bauchnabel eine rote Rose, lächelte auf sie herab. Auch dem Ministerpräsidenten fiel das Bild auf. Trotz seiner Vorliebe für das weibliche Geschlecht, gefiel ihm das Gemälde nicht. Was damit zu tun haben mochte, dass die Dame nicht blond war. Demonstrativ setzte er sich mit dem Rücken zu dem Bild, womit er den Butler, der ihm einen anderen Stuhl zurechtgerückt hatte, in vorübergehende Verwirrung stürzte.
„Der Herr Konsul kommt sofort, er hat noch ein dringendes Telefonat mit einem Klienten. Darf ich den Herrschaften schon mal ein Glas Champagner einschenken?“ Der Ministerpräsident nickte. Wagner hielt vergeblich nach Kaffee Ausschau. Es gab keinen, nur Champagner und Selters. Auch die vorbereiteten Speisen, Lachs, Kaviar und Krabbensalat, entsprachen nicht seinem Frühstücksgeschmack.
Der Chef prostete ihm zu und trank das Glas in Windeseile aus. Wagner nippte vorsichtig an seinem Glas. Eigentlich mochte er keinen Champagner, auf nüchternen Magen schon gar nicht. Beim zweiten Glas besserte sich die Laune des Ministerpräsidenten spürbar. Er ließ sich lobend über die antike Einrichtung aus. Von dem grässlichen Gemälde abgesehen sei das Zimmer außerordentlich geschmackvoll eingerichtet. Dann fabulierte er darüber, sein eigenes Büro ähnlich einzurichten. Der derzeitige mediterrane Stil passe nicht in eine niedersächsische Staatskanzlei, meinte er. Wagner lag die Frage auf der Zunge, weshalb ihm das nicht vor drei Monaten eingefallen war. Die neue Ausstattung hatte fast den halben Jahresetat der Staatskanzlei für Neuanschaffungen verschlungen. Er verkniff sie sich, da in diesem Moment der Konsul erschien. Der dickliche Mann mochte um die sechzig sein, vielleicht auch älter. Das Zuspätkommen wurde wortreich entschuldigt. Ein langjähriger Klient, der Vorstandsvorsitzende einer Schweizer Bank, habe seinen Rat benötigt.
„Aber jetzt bin ich ganz für Sie da. Bevor wir zum Geschäftlichen kommen, bedienen Sie sich bitte. Den Kaviar habe ich letzte Woche aus St. Petersburg mitgebracht. Sollten Sie unbedingt probieren, ganz köstlich. Nicht zu vergleichen mit dem Zeug, das hierzulande in den Handel kommt.“
Wagner nahm einen kleinen Löffel. Es schmeckte scheußlich. Ihm war nach einem Marmeladenbrötchen und einer Tasse Kaffee oder besser noch ein Mandelhörnchen.
„Ich habe mich eingehend mit Ihrer Person und Ihrem Anliegen beschäftigt und kann Ihnen einen Vorschlag unterbreiten, Herr Ministerpräsident. Schrecklich übrigens, die zwei Todesfälle in Ihrem Mitarbeiterstab. Weiß man denn schon, wer der Täter war? Gibt es zumindest eine aussichtsreiche Spur?“
„Bisher nicht, ich bin aber zuversichtlich, dass die Fälle kurzfristig aufgeklärt werden. Der Innenminister persönlich kümmert sich darum.“
Der Konsul forderte den Butler auf, den Gästen nachzuschenken und sie allein zu lassen.
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