Die Staatskanzlei - Kriminalroman
sich zu entschuldigen. Heraus kam nur ein Rülpsen. Dann drängte der Chef zum Aufbruch. Er werde sich die Sache durch den Kopf gehen lassen und Bescheid geben. Der Konsul machte es dringend. „So etwas braucht seine Zeit. Ich arbeite nur mit der Crème de la Crème zusammen, meine Partner sind über Wochen ausgebucht.“
Im Auto schimpfte der Chef, zunächst auf Wagner, der sich nicht zusammenreißen könne und sich die „Hucke voll saufe“, dann auf den Konsul. „Ein dermaßen aufgeblasener Wichtigtuer ist mir in meinem ganzen fast sechzigjährigen Leben noch nicht untergekommen. Hunderttausend, ich glaub, mich tritt ein Pferd!“ Das Gezeter wollte kein Ende nehmen, Wagner bekam nicht viel davon mit, weil er wegschlummerte. Im Traum begegnete ihm die nackte Frau, die plötzlich aus dem Gemälde hervorkam und quicklebendig war.
Der Ministerpräsident wollte den Anschlusstermin beim Bayrischen Staatsminister allein durchführen, ebenso die Besprechung mit der Bürgerpartei Bayern und den Termin bei der Handwerkskammer München. Der Fahrer wurde beauftragt, den angetrunkenen Pressesprecher ins Hotel zu bringen. „In diesem beklagenswerten Zustand kann ich Sie nicht gebrauchen, Wagner“, knurrte er. Der freute sich über einen geschenkten Tag, den er im Bett verbringen durfte.
Als sie am späten Abend die Rückfahrt nach Hannover antraten, Wagner nach einem ausgiebigen Schlaf und einem Besuch einer Münchener Konditorei wieder nüchtern, versuchte der Chef übers Handy den Parteivorsitzenden zu erreichen. Alfred Bitter befand sich auf einer Parteiveranstaltung im Ammerland. Der Persönliche Referent des Vorsitzenden sagte zu, dass sein Chef am nächsten Tag gegen drei Uhr nachmittags beim Ministerpräsidenten vorbeikommen würde.
Wagner war überrascht. „Wollen Sie jetzt doch auf das Angebot des Konsuls eingehen?“, fragte er.
„Während Sie geschlafen haben, habe ich mich umgehört. Der Konsul genießt einen exzellenten Ruf in der bayrischen Staatsregierung. Bei der Bürgerpartei in Bayern auch. Gäbe es diese widerlichen Schreiberlinge wie Hollmann und Konsorten nicht, wäre das alles nicht nötig. Seit Monaten schreiben sie mich und meine Regierung in Grund und Boden. Selbst jetzt, wo ich mit zwei Morden gebeutelt bin, stellt die Bagage mir nach. Ich möchte endlich mal wieder etwas Positives über mich lesen. Die Partei wird in den sauren Apfel beißen und Konsul von Holzhausen engagieren müssen. Und was die Morde betrifft, Wagner, vielleicht hat der Konsul recht und sie nutzen mir, imagemäßig, meine ich. Wenn schon zwei meiner Vertrauten ermordet wurden, soll das Ganze wenigstens einen Sinn haben.“
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H ANNOVER
„Die Geschehnisse der letzten Tage machen mir Sorgen“, sagte Baumgart, während er sich ein Glas Wein eingoss.
Sein Gegenüber schob ihm sein fast leeres Glas hin. „Ich nehme auch noch einen Schluck. Nur einen kleinen, ich muss noch in den Landtag. Eine Sitzung des Wirtschaftsausschusses. Kann ich leider nicht schwänzen, obwohl ich es liebend gerne würde. Die Vorsitzende ist unter aller Sau. Aber kritisieren darf man sie nicht. Unser kleiner Koalitionspartner muss gehätschelt und getätschelt werden. Keine Vorstandssitzung, auf der Albi nicht das hohe Lied unseres Koalitionspartners singt. Hoffen wir, dass die Bürgerpartei in der nächsten Legislaturperiode allein regieren kann. Allein schon wegen der Weiberriege der Freiheitspartei. Hatten nichts Besseres zu tun, als unserer Frau Peters den Floh mit der Quote ins Ohr zu setzten, und wir von der Bürgerpartei müssen den Schwachsinn ausbaden.“
„An mir soll es nicht liegen. Ich mag die Freiheitspartei auch nicht. Ihr könnt auf mich bauen.“
„Gut zu hören.“ Die beiden Männer stießen an. Obwohl sie sich nicht leiden konnten, wussten sie, was sie aneinander hatten.
Dann hingen sie ihren Gedanken nach, bevor der Politiker erneut das Wort ergriff. „Um auf die Morde zurückzukommen. Uns macht die unappetitliche Angelegenheit auch zu schaffen. Die Polizei tritt auf der Stelle. Bevor ich hierhergekommen bin, habe ich Krause angerufen und nach dem neuesten Stand gefragt. Es gibt immer noch keinen Fortschritt.“
Baumgart schob das noch halb volle Glas beiseite. „Nicht nur die Morde bereiten mir Kopfzerbrechen. Hollmanns Recherchen sind verdammt lästig.“
Sein Gegenüber reagierte erstaunt. „Hollmann von der
Allgemeinen Niedersachsenzeitung?
Sag bloß. Wenn ich den Namen höre, sehe ich rot. Kerle wie der
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