Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Albi beschrieb in düsteren Farben die verheerende Kassenlage der Partei. Das hitzige Gespräch nahm an Fahrt auf. Der Name Hans Baumgart fiel. Albi weigerte sich, ihn wegen einer Spende anzusprechen.
„Der hat in den letzten Jahren genug gespendet. Dann können wir ihm ja gleich die Partei verkaufen“, meinte er. „Es reicht doch, wenn Großkapitalisten sich Fußballvereine kaufen. Aber Parteien, das wäre das Ende der Demokratie, da mache ich nicht mit.“
Der Ministerpräsident reagierte beleidigt. „Als ob ich das möchte. Ich war noch nie Gast in Baumgarts Partykeller. Und auch seine spektakulären Events und Champagnersausen habe ich stets gemieden. Im Gegensatz zu dir, Albi.“
Der wollte das nicht auf sich sitzen lassen. „Bei deinen Auslandsreisen war er stets dabei, oder etwa nicht?“
Wagner fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Am liebsten hätte er sich davongemacht.
„Soll ich vielleicht lieber …?“ Der Chef hielt ihn zurück.
„Nichts da, Sie bleiben. Sind Sie mein Berater für Öffentlichkeitsarbeit oder nicht?“
Der Parteivorsitzende machte sich über das Bier her. Auf Gläser verzichtete er. „Ich verstehe nicht, weshalb die Partei die Kosten dafür übernehmen soll. Ihr habt doch einen Etat für Öffentlichkeitsarbeit“, wandte er sich an Wagner, während er sich zum Ärger des Ministerpräsidenten, einem überzeugten Nichtraucher, eine Zigarette anzündete.
Der Regierungschef kam Wagner zuvor. „Eine bescheuerte Idee, Albi. Wagner, erzählen Sie dem Parteivorsitzenden, wofür der Etat gedacht ist. Der Herr scheint das nicht zu wissen.“
Wagner ratterte die Zweckbestimmung der von ihm verwalteten Titelgruppe 76 herunter. Jeder Euro wurde streng überwacht, nicht nur vom Haushaltsreferat der Staatskanzlei, auch vom Finanzministerium und, schlimmer noch, vom Haushaltsausschuss des Landtags, dessen Vorsitzender der Oppositionspartei angehörte.
Das richtige Stichwort für Albi, sich über die Affäre der Finanzministerin zu mokieren und ihre Ablösung zu verlangen. Nachdem er ordentlich Dampf abgelassen und der Ministerpräsident ihm ihre Absetzung im Zuge der anstehenden Kabinettsumbildung versprochen hatte, setzte der Parteivorsitzende die leer getrunkene Bierflasche ab und runzelte nachdenklich die Stirn. Seine langjährige politische Laufbahn hatte ihn gelehrt, dass es letztlich für fast jedes Problem eine Lösung gab. Nicht selten in der Grauzone zwischen Legalem und Unerlaubtem, was aber niemanden in diesem Land wirklich zu stören schien.
Auch jetzt hatte er einen rettenden Einfall. „Mensch, Manfred, warum organisiert Ihr nicht einen Wirtschaftstreff, so richtig groß, alles vom Feinsten und nur die Crème de la Crème der niedersächsischen Wirtschaft?“
Das Lächeln des Ministerpräsidenten wirkte verkrampft. „Und was soll das bringen, außer einer genervten Protokollabteilung?“
„Mensch, Manfred, denk doch mal nach! Kohle natürlich. Ihr zieht das Ganze als Riesenevent auf, als Internationale Wirtschaftsbegegnung und lasst euch die Veranstaltung sponsern. Es gibt genug gut verdienende Unternehmen in unserem schönen Niedersachsen. Sie sind gerne behilflich, wenn sie ihrem Ministerpräsidenten eine Freude bereiten können. Ganz besonders, wenn sie bei der Gelegenheit ihre Eitelkeit befriedigen: Gästelisten mit Namen, unter denen man sich wiederfindet, Zeitungsberichte und schöne Fotos im Gespräch mit dem Regierungschef.“
„Gut und schön, damit haben wir noch immer nicht die Hunderttausend für Konsul von Holzhausen.“
Die zweite Zigarette musste daran glauben. Wagner versuchte dem Rauch auszuweichen. „Gehen wir mal davon aus, dass sich die zehn größten niedersächsischen Unternehmen am Sponsoring beteiligen, jedes Unternehmen mit 50 000 Euro. Sind für die Peanuts, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf. Das Event mit erlesenem Dinner, Rahmenprogramm, Get-together und Tischrede deiner Wenigkeit wird aber höchstens 200 000 Euro kosten. Bleiben nach Adam Riese 300 000 Euro übrig.“
„Die wir als Sponsorengelder ausweisen müssen. Du kennst doch die Bestimmungen, Albi.“
„Natürlich, habe schließlich alles versucht, um den Schwachsinn, den die beknackte Ökopartei uns eingebrockt hat, zu verhindern“, knurrte Albi. „Wer spricht denn von Sponsoring fürs Land? Das läuft anders ab. Du kennst doch Peter Harhaus, seines Zeichen Eventmanager?“
Der Chef nickte. „Bin ihm ein- oder zweimal auf Partys begegnet, ein unangenehmer
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