Die Staatskanzlei - Kriminalroman
anderen Dezernenten auch.“
Stollmann grinste schief. „Du solltest dein Gesicht mal sehen: Eine reife Tomate ist nichts dagegen. Im ganzen Haus wird gemunkelt, dass der Neue ein Auge auf dich geworfen hat. Ich kann ihn verstehen. Du bist eine kluge Frau und siehst passabel aus, wenn auch im Moment ziemlich mitgenommen. Und du hast Charakter. Die Mischung kommt beim weiblichen Geschlecht heutzutage nicht oft vor. Entweder sind sie hübsch, aber doof oder sie sind intelligent, aber Xanthippen.“
Sein düsterer Gesichtsausdruck erinnerte Verena an Stollmanns unappetitliche Scheidungsschlacht. „Das sollte wohl ein Kompliment sein. Vielen Dank. Und was ist mit deiner Freundin? Aber lass uns zu den Mordfällen zurückkommen. Und merk dir ein für alle Mal: Zwischen dem Direktor und mir läuft nichts. Was Frau König angeht …“
Die Bürotür wurde aufgerissen und Petra Schramm stürmte herein. Heute war Pink angesagt. Zu dem engen schwarzen Rock trug sie einen knapp geschnittenen Pullover und hochhackige Pumps in pink. Ein ziemlich gewagter Look, aber ihr stand er. Neid erfüllte Verena. Sie hätte in den Klamotten ausgesehen wie eine Bratwurst kurz vorm Platzen.
Ihre Mitarbeiterin war wieder einmal aufgeregt und schnappte nach Luft. „Ich habe Neuigkeiten, Chefin.“ Unaufgefordert ließ sie sich auf den einzig freien Stuhl plumpsen. „Puh, bin ich geschafft. Der Fahrstuhl ist schon wieder kaputt.“
„Treppensteigen tut deiner Figur gut“, stellte Stollmann fest.
„Willst du andeuten, dass ich zu dick bin?“ Ein beleidigter Gesichtsausdruck machte sich auf dem hübschen Gesicht von Frau Schramm breit.
„Natürlich nicht, stimmt alles hundertprozentig, da gibt es nichts zu meckern. Aber nun komm endlich zur Sache. Was für Neuigkeiten bringst du uns?“
„Wir haben die Telefonnummer von Gabi Eggers, Heises vorübergehender Lebenspartnerin, in Niemanns Adressenverzeichnis gefunden. Sowohl in seinem Privathandy als auch in seinem Notebook. Dabei hat die Eggers doch ausgesagt, dass sie zu niemandem außer Heise in der Staatskanzlei Kontakt gehabt hat. Ich habe das Vernehmungsprotokoll extra noch mal nachgelesen und es gleich mitgebracht.“ Sie reichte es Verena mit einem strahlenden Lächeln.
Die nahm die Unterlage an sich und schaute Stollmann fragend an. „Gabi Eggers? Du hast doch mit ihr gesprochen? Hat sie den Namen Niemann fallen lassen oder eine andere Bemerkung gemacht, die …“
Stollmann unterbrach sie. „Hat sie nicht. Ich frage mich, was eine erfolgreiche Bankmanagerin und Spitzenfrau wie sie mit diesem Zwerg zu tun hatte. Niemann mag ja ein netter Kerl gewesen sein, aber optisch stellte er rein gar nichts dar.“
So weit ist es damit bei dir auch nicht her, dachte Verena. Dann stellte sie klar: „Es muss ja nicht immer gleich eine intime Beziehung dahinterstecken. Auch wenn es dein Vorstellungsvermögen übersteigt, es gibt auch platonische Beziehungen zwischen Frau und Mann. Wir sollten uns auf die Socken machen und das herausfinden.“
Stollmann griff ihre süffisante Bemerkung auf. „Platonisch? Ja, zwischen uns beiden zum Beispiel, was sich aber jederzeit ändern ließe. An mir soll es nicht liegen. Was die Eggers betrifft, die übernehme ich, mich kennt sie.“
„Genau deshalb möchte ich mir selbst ein Bild von der Dame machen, ich komme mit“, stellte Verena klar. Wenn es um Frauen ging, ließ sich ihr Kollege zuweilen zu sehr von Äußerlichkeiten beeindrucken.
Ihr Kollege war alles andere als begeistert. „Ich kann das auch gern übernehmen“, meldete Petra Schramm sich zu Wort. Sie platzt mal wieder vor Ehrgeiz, dachte Verena. „Ich habe mich hoffentlich klar ausgedrückt. Ich begleite Herr Stollmann.“ Sie schaute auf ihre Armbanduhr. „Sagen wir in einer halben Stunde.“
Dann wandte sie sich ihrer Mitarbeiterin zu. „Übrigens gute Arbeit, Petra. Aber jetzt lasst mich allein, vierzig Maileingänge warten darauf, gelesen zu werden“, bat sie ihre Kollegen. Die beiden gingen, Stollmann grummelnd, ihre Mitarbeiterin, beflügelt durch das Lob, guter Dinge.
Allein gelassen atmete Verena tief durch. Ihre Mails waren längst gelesen. Sie hatte das Bedürfnis verspürt, allein zu sein, um ihren Gedanken nachzuhängen. Seit Franz sie wie einen alten Müllsack entsorgt hatte, hatte ihr Selbstbewusstsein empfindliche Kratzer erlitten. Falls es stimmte und Jürgen Ritter sich tatsächlich für sie interessierte, wäre das die beste Nachricht seit Langem. Es konnte
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