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Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Titel: Die Stachelbeerstraeucher von Saigon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Zimmerschied
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penetranter Leutseligkeit sucht er seine Opfer.
    Das Wichtigste, was die Menschen brauchen,
    ist Vertrauen – in die Politik.
    Gemeinsam anpacken.
    Weils wichtig ist.
    Für uns alle.
    Es geht um die Zukunft dieser einen Welt.
    Mehr hamma ned.
    Mit väterlicher Geste und sanfter Wucht legt er die Hand auf die Schulter eines Wahlopfers und beschäftigt dieses mit der konzentrierten Angst um den Verlust der Schaumkrone eines soeben eingeschenkten Gratisweißbiers.
    I hob des Gefühl, Sie verstengan, wos i moan.
    Sie haben so einen wachen Blick.
    So eine demokratische Ausdünstung,
    eine Aura der Unbestechlichkeit.
    Sie ragen förmlich heraus aus dieser Stimmviehmasse.
    Solche Bürger braucht der Staat.
    Gerade heute.
    Viele Menschen haben Angst vor dem Staat.
    Überwachung, Mehrwertsteuer.
    Diese Angst ist unnötig.
    Der Staat ist keine Hydra,
    der hat gar keinen Kopf.
    Der Politiker genießt sein Bonmot.
    Dann bittet er einen Zuhörer aufzustehen.
    Der Zuhörer steht auf, geschmeichelt genießt er es, mit im Mittelpunkt zu stehen.
    Er prostet seinem Gönner zu.
    Der Saal applaudiert.
    Der Politiker genießt ebenfalls seinen beginnenden Dressurakt.
    Und deshalb zeig ich Ihnen jetzt,
    wie einfach unser Staat funktioniert.
    Damits was lernen fürs Leben.
    Der Politiker setzt sich auf den frei gewordenen Stuhl, macht es sich bequem, plaudert mit den Nachbarn.
    Er reagiert erst wieder auf den aufgestandenen Zuhörer, als dieser zaghaft nachfrägt.
    Das wars.
    Do kimmt nix mehr.
    Das Ziel ist erreicht.
    Sie stengan und i sitz.
    Mehr ist da nicht.
    Eikasn, weyn loßn, hisitzn.
    So funktioniert jede Mafia.
    Wos woin Sie wissen?
    Wo dann da Unterschied is zwischn am Finanzminister und am russischen Inkassoschläger?
    I wissat koan.
    Guad, da Russ hod an moralischn Vorteil.
    Der daschlogt wirklich nua de Leid,
    de eana eings Geyd verspekuliert ham.
    Do san mia demokratischer.
    Mia zocken jeden ob.
    Beamtenreflex.
    I sitz – du zoist.
    Des spürtma go nimmer.
    Gähd ganz gewaltlos.
    Ned amoi Hirn is dabei,
    koa Bauch,
    koa Herz.
    Mia san emotionslos.
    Die neue Politikergeneration.
    Mia mochan Politik – midm Osch.
    Mia sitzn uns einfach drauf.
    Er räkelt sich, lacht affektiert, fixiert wieder den stehenden Zuschauer.
    Dieser nimmt einen tiefen Schluck aus seinem Wahlgetränk.
    Und rülpst.
    Und Sie stengan.
    Ham Sie ein Glück.
    So beginnt Freiheit.
    Sie könnan iatzt song,
    ach, iatzt schtäh i eh scho,
    Scheiß Theater,
    i geh iatzt oan dringa
    oder ins Kino.
    mit Opferpathos
    Das kann ich nicht.
    Ich muss der Sache dienen.
    Sitzend.
    Die Hände in die Hüften stemmend, versucht er aufzustehen.
    Er hält sich an seinem Gegenüber fest, dessen ganze Aufmerksamkeit dem Gratisweißbier gilt, das er auf keinen Fall ungetrunken verschütten möchte, und zieht sich langsam an ihm nach oben.
    Des gibt Haltungsschäden.
    Ein volkswirtschaftlicher Schaden größten Ausmaßes.
    Morbus Scheuermann.
    Bandscheibenvorfälle.
    Schiefrücken und Senkfüße.
    Eana Rückenmuskulatur wird bewegt.
    Der Mensch, der unterwegs ist,
    von Job zu Job,
    von Amt zu Amt,
    von Sonderangebot zu Sonderangebot,
    der hod an orthopädischen Vorteil.
    Der suachtse gesund.
    Ich bin überzeugt, Sie ham den ganzen Abend vorher ned so vui denkt,
    als ab dem Zeitpunkt,
    wo i Sie aufstehn hob loßn.
    Mit großer Geste stoppt er das Aufbegehren seines Opfers, das argumentationsbereit sein Weißbierglas abstellt.
    Ich erwarte keine Dankbarkeit,
    aber wenigstens Erkentnis.
    Der wahre Philosoph geht,
    auf und ab und unter.
    Armut macht mobil
    und damit zukunftsfähig.
    So ein sozialer Abstieg,
    das ist doch auch ein Erfahrungsabenteuer.
    Man lernt Menschen kennen,
    ethnologische Randgruppen,
    Mietnomaden, Selbstmörder,
    man lernt kleinere Alkoholvergiftungen zu versorgen,
    da Wundfraß wird oam vertraut,
    das Ekzem heimisch,
    Brückenidyllen,
    Eintopfvarianten.
    vorwurfsvoll
    W i r griang die Fettlebern!
    U n s schnappt der Infarkt!
    W i r versulzen in der Verantwortung fürs Ganze!
    breit und vorwurfsvoll
    Sie entschlacken sich in der Askese des Existenzminimums.
    plötzlicher Hexenschuss
    Und dann kommt das Ende.
    Dann muss der Politiker abtreten,
    verschlissen und ausgebeutet.
    Dann wird er Alterspräsident und muss mit Peter Scholl-Latour in allen Talkshows die Welt erklären.
    Dann macht er seinen Platz wieder frei,
    für das Volk,
    das er vertreten hat,
    mehr noch,
    er schützt es.
    Er bietet den Menschen, die er vielleicht zu lange am Rande der Gesellschaft hat

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