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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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vor. Das beschwor ihren letzten Trost herauf: die Erinnerung an Augenblicke mit Jebrassy, an die Buchstabenkäfer, an das Schütteltuch, auf dem die Buchstaben hin und her gewandert und sich miteinander verbunden hatten.
    Irgendetwas ließ nicht zu, dass Tiadba die Zeit vergaß, in der sie sich verliebt hatte. Sie konnte die mit der Erinnerung verbundene Hoffnung nicht aufgeben. Genauso wenig wie Ishanaxade.
    Auf einer der fernen Kettenwelten der Shen fand Sangmer Ishanaxade. Am Ufer des silbernen Vektorenmeers sprachen sie miteinander.
    »In Wirklichkeit bin ich niemandes Tochter. Viele haben mir die Gestalt verliehen, die ich jetzt habe. Ich nenne Polybiblios Vater, weil er äußerst geduldig mit mir gewesen ist und mich auf seine Weise geliebt hat.«
    »Wo haben sie dich gefunden?«
    »Über eine Zeitspanne hinweg, die länger ist, als die Erinnerung irgendeines Lebewesens reicht – manche sagen seit dem Ende der Leuchtenden Pracht –, hat man meine Bestandteile aus allen besiedelten Welten zusammengetragen. Dies und das: hier ein Aufschimmern, dort eine bestimmte Eigenschaft, eine Vermutung, ein Fleck … All das haben viele aufbewahrt, hierhin und dorthin befördert, miteinander ausgetauscht, und später haben es die Shen gesammelt und so viel davon angehäuft, dass mein Umfang selbst die Kettenwelten oder die sechzig grünen Sonnen, um die sie kreisen, übertroffen hätte.«
    Sangmer glaubte ihr nicht und sagte es auch.
    »Sieh mich an. Wirke ich etwa glaubhaft? Ähnle ich irgendeinem anderen Wesen, das du bisher gesehen hast?«
    »Nein, aber ich bin ja auch noch jung. Wie bist du so viel kleiner geworden?«
    »Die Shen sind sehr alt und ungewöhnlich neugierig. Sie haben lange daran gearbeitet, meine Essenz zu destillieren. Das, was wesentlich war, haben sie bewahrt. Doch irgendwann hatten sie dieses Geduldspiel satt. Als Polybiblios auftauchte, hat er ihre Arbeit fortgesetzt und mich so geschaffen, wie du mich jetzt siehst. Er glaubt zu wissen, was ich wirklich bin. Und ich stelle seine Überzeugungen nicht infrage. «
    »Und was bist du – oder warst du – seiner Meinung nach?«
    »Eine Muse.«
    »So etwas wie eine Inspiration?«
    »Früher einmal haben die Musen eine sehr wichtige Rolle im Kosmos gespielt. Sie haben sich hundert Milliarden Jahre
lang damit abgequält, hinter Brahma herzuräumen, denn er konnte nicht aufhören, ständig neue Dinge zu erschaffen, konnte nicht darauf verzichten, seine Art von Liebe über alles zu ergießen. Die Musen haben für die Erinnerung gesorgt und für das Aufblühen all der kleinen Beobachter, die Brahma so liebte. Er selbst war nämlich fahrlässig, aber dennoch unermesslich groß und voller Leidenschaft. Und dann kam die Schöpfung plötzlich zum Stillstand. Was folgte, war das Trillennium – nichts Neues, nur eine geschickte Umgestaltung des Alten. Manche behaupten, Brahma sei damals eingeschlafen. Und während er schläft, braucht er natürlich keine Musen. Also haben wir uns zu Gebilden wie Schnee oder Regen verdichtet, zu einem Schauer funkelnder Steine, der sich über die dunklen Lichtjahre verteilte.«
    »Brahma – das ist ein uralter Name.«
    »Alt ist nicht das angemessene Wort. Ich weiß nicht, ob ich, während ich ihm diente, Fehler gemacht habe und er mich deswegen zurückwies, oder ob er mich einfach nicht mehr wichtig fand. Doch ich glaube mich daran zu erinnern, dass ich mich überall ausbreitete, wo noch Menschen lebten. An all das, was passierte, bis ich hierhergebracht wurde, kann ich mich jedoch nicht mehr erinnern.«
    »Und jetzt bist du fast menschlich.«
    »Warum bist du hier geblieben und sprichst mit mir? Findest du mich anziehend? Keiner der Shen scheint mich anziehend zu finden.«
    Wenn sie redete, war ihr Atem wie eine erfrischende Brise, kühl und feucht, doch wenn ihre Augen ihn ansahen, wärmten sie ihn, gaben ihm ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Ehe er antwortete, musterte Sangmer sie eine
Weile und dachte nach, während sie zusammen am Ufer des großen silbernen Vektorenmeers standen. »Anscheinend hilfst du anderen, kümmerst dich gern um Menschen«, sagte er schließlich. »Das ist bewundernswert.«
    »Lässt du dich gern hegen und pflegen?«
    »Nun ja, das ist ja nicht alles, was du versprichst. Wenn du mich berührst, spüre ich ein Feuer in mir. Du möchtest, dass ich mich weiterentwickle und meine wahre Geschichte finde, meinen Daseinszweck. Und offenbar möchtest du auch dabei sein, wenn ich Neues entdecke. Du

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