Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
Das Wappen, das am Nordtor von Waldoria dargestellt wurde.
Es kam ihm mit einem mal falsch vor. Natürlich war es das. Willibald war nicht der rechtmäßige König gewesen und keiner seiner Nachkommen sollte es sein. Philip vertiefte sich in die Thronfolge. Nach dem Tod König Philmors und seiner Söhne blieb nur noch der Herzog Willibald übrig, der für den Thron in Frage kam. Er war der Sohn der letzten Königin, Philmors Stiefbruder!
Philip legte das Buch auf seinen Schoß und lehnte sich in dem Sessel zurück. Er versuchte sich vorzustellen, wie es sich anfühlte, wenn man eine Frau durch eine andere ersetzte. Würde Vater, wenn Mutter sterben sollte, eine andere Frau haben wollen. Philip konnte es sich nicht vorstellen. Eine andere Frau als seine Mutter konnte unmöglich in der Küche stehen und seinen Brüdern sagen, was sie zu tun hatten. Wenn sie auch noch eigene Kinder mitbringen würde … Unvorstellbar.
Er hatte munkeln hören, dass Hilmar es mit der Treue nicht sehr genau nahm. Wenn das stimmte, dann gab es offensichtlich Menschen, die sich in ihrem Leben nicht nur mit einem Partner begnügten.
Es klopfte. Philips Herzschlag beschleunigte sich. Stand Arina vor der Tür?
„Ja“, sagte er und eilte ihr entgegen.
Das blasse Dienstmädchen steckte den Kopf herein. Philip blieb wie angewurzelt stehen.
„Das Essen wird aufgetragen. Die Herrschaften warten im Speisesaal.“
„Danke“, murmelte er und sah an sich hinunter. Die Hose war in Ordnung, aber in diesem Hemd konnte er unmöglich im Speisesaal erscheinen.
Er drängte sich an dem Mädchen vorbei und rannte in sein Zimmer. Wenig später lief er die Treppe hinunter. An der Tür zum Speisesaal blieb er stehen und beruhigte seinen Atem, dann trat er ein.
Annamarie von Weiden sah ihn zuerst und lächelte ihm pflichtschuldig zu. „Ihr seid den ganzen Tag mit Euren Studien beschäftigt“, begrüßte sie ihn.
Philip verstand den stillen Vorwurf, dass man auf ihn warten musste. „Es tut mir leid, ich habe die Zeit vergessen“, antwortete er.
„Welches spannende Buch hält Euch so sehr in Atem?“, frage sie.
Philip sah zu Arina hinüber, die sich um ihren Bruder kümmerte und ihn nicht beachtete.
„Ich lese über Corona und war dabei, die Wappen zu studieren.“ Wieder ein Blick zu Arina, aber sie sah immer noch nicht auf.
„Ein interessantes Thema habt Ihr gewählt. Ich wünschte, mein Toralf wäre auch ein so fleißiger Schüler, wie Ihr das seid.“
„Er ist noch sehr jung. Kinder in seinem Alter toben lieber draußen“, antwortete Philip.
„Wir wollen doch nicht, dass ein Bauernlümmel aus ihm wird.“ Die Gräfin lächelte, aber ihre Augen erreichte dieses Lächeln nicht.
Hilmar betrat den Speisesaal.
Annamarie entschuldigte sich und begrüßte ihren Mann. Philip nutzte die Gelegenheit näher an Arina und Toralf heranzukommen. Der Junge hüpfte aufgeregt von einem Bein auf das andere, weil sein Vater ihm versprochen hatte, dass er ab morgen Reitunterricht bekommen sollte. Als er Hilmar entdeckte, lief er sofort zu ihm hin. Arina richtete sich auf, aber sie sah an Philip vorbei.
Ihm fiel nichts ein, was er zu ihr in diesen Räumlichkeiten und in Anwesenheit ihrer Eltern hätte sagen können. Er wünschte sich, sie wieder in den Arm zu nehmen, ihr Haar zu riechen …
„Das ist ein schönes Kleid“, sagte er, um nicht länger zu schweigen.
Arina zog eine Augenbraue hoch, sah ihn kurz an und gleich weg. „Danke“, erwiderte sie kühl und ließ ihn stehen.
Philip fröstelte. War das dieselbe Arina, die heute Nachmittag mit verweinten Augen bei ihm Halt gesucht hatte? Hatte er sich das alles nur eingebildet?
Sie wandte sich von ihm ab und redete mit der Erzieherin ihres Bruders, einer Frau, die in ihren Ansichten und in ihrer Art noch steifer war als Annamarie.
„Kommst du voran?“, fragte Hilmar.
Philip fuhr ertappt herum.
„Es geht. Nein, ich komme nicht voran. Seit dem Buch von dem ich Euch berichtet habe, habe ich nichts mehr gefunden.“
Hilmar senkte die Stimme. „Sprechen wir nach dem Essen in meinem Arbeitszimmer darüber, wenn du nichts dagegen hast.“
Philip nickte. Als er aufsah, traf ihn Arinas Blick. Den Ausdruck ihrer Augen konnte er nicht deuten. Hatte sie gehört, was ihr Vater gesagt hatte? Sie streckte ihr Kinn vor und wandte sich ab.
Während des gesamten Abendessens mied Arina jedes Gespräch. Kein Lächeln kam über ihre Lippen, nur selten erhaschte Philip einen ihrer flüchtigen Blicke.
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