Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
die niedrigen Vorberge auf das Tal zu, in dem er lag. Der Schatten glitt mit unbeschreiblicher Schnelligkeit heran, und der letzte Lichtschimmer schien vom Himmel herabzustürzen, kalt wie ein im Eis eingegossener Widerschein.
Steifgliedrig, wie er nach der fortwährenden Überanstrengung war, und erfüllt von einer albtraumhaften, schlaftrunkenen Benommenheit, zu der sich seine wieder erwachenden Ängste gesellten, kam Quanga auf die Beine. In diesem Zustand und übermannt von einem plötzlichen, wahnsinnigen Aufbegehren, streifte er den Bogen von der Schulter und leerte seinen Köcher Pfeil für Pfeil auf den riesigen, düsteren, gestaltlosen Schatten, der vor ihm am Firmament zu hängen schien. Nachdem der letzte Pfeil verschossen war, setzte er seine überhastete Flucht fort.
Sogar während er lief, zitterte er unkontrolliert in der bitteren Kälte, die plötzlich das Tal ausfüllte. Vage und von neuer Furcht gepackt spürte Quanga, dass es mit dieser Kälte nicht ganz geheuer und natürlich zuging – dass diese Kälte nicht zu dieser Gegend und auch nicht zur herrschenden Jahreszeit passte. Die glühenden Vulkane waren jetzt ziemlich nah, und schon bald würde er ihre Vorberge erreichen. Die Luft um ihn herum sollte milde sein, wenn nicht sogar warm.
Mit einem Mal überzog Finsternis den Himmel vor ihm, in dessen Tiefen ein unerfindliches blaugrünes Flimmern auftrat. Einen Lidschlag lang erblickte Quanga den gestaltlosen Schatten, der sich direkt vor ihm titanisch auftürmte und nicht nur das Glühen der Vulkanberge, sondern die Sterne selbst verdunkelte. Und schon umfing ihn der Schatten wirbelnd wie ein sturmgepeitschter Nebel, frostkalt und erbarmungslos. Wie ein eisiger Spuk aus dem Totenreich war es – etwas, das seine Augen blendete und seinen Atem erstickte, als läge er in einer Eisgruft begraben. Der Nebel war von einer bitteren, transarktischen Kälte, dergleichen Quanga noch nie zuvor verspürt hatte. Unsagbar peinvoll fraß sie sich in sein Fleisch, das rasch von Taubheit erfüllt wurde.
Schwach erklangen das Geräusch klirrender Eiszapfen und ein Knirschen wie von schweren Eisschollen in der blaugrünen Düsternis, die sich um ihn zusammenzog und verdichtete. Es war, als hätte die Seele des Gletschers, böse und unversöhnlich, ihn am Ende auf seiner Flucht eingeholt. Mitunter kämpfte er noch benommen in schlaftrunkenem Grauen dagegen an. In einer seltsamen Regung, als wollte er eine rachsüchtige Gottheit versöhnlich stimmen, zog er mit zäher und quälender Mühe den Beutel mit den Rubinen hervor, der an seiner Brust ruhte, und versuchte ihn von sich zu schleudern. Die Schnüre, die den Beutel verschlossen, lösten sich, während er fiel, und leise, wie aus großer Ferne, vernahm Quanga das Klimpern der Rubine, als sie auf irgendeiner harten Oberfläche auftrafen und kullernd auseinanderspritzten. Dann zog ihn das Vergessen noch tiefer hinab, und steif stürzte er vornüber, ohne zu begreifen, dass er gestürzt war.
Der nächste Morgen fand ihn am Ufer eines schmalen Baches. Zu Eis gefroren lag er mit dem Gesicht nach unten in einem Ring aus Mohnblumen, die schwarz geworden waren wie unter dem Fußstapfen eines gewaltigen Frostdämons. Ein benachbarter Teich, der sich aus dem gemächlichen Gewässer speiste, trug eine dünne Eisschicht; und auf dem Eis verstreut lagen gleich Tropfen gefrorenen Blutes die Rubine König Haalors. Später, aber sicher, würde der Gletscher, während er langsam und unaufhaltsam südwärts strebte, sie sich wiederholen.
Die sieben Banngelübde
Der edle Fürst Ralibar Vooz, oberster Gerichtsherr von Commoriom und ein Cousin dritten Grades von König Homquat, war mit sechsundzwanzig seiner kühnsten Gefolgsmänner aufgebrochen, um jener Art Wild nachzustellen, die in den schwarzen Eiglophischen Bergen heimisch war. Die Riesenfaultiere und großen Vampirfledermäuse des Dschungels, den sie dabei durchquerten, überließen sie ebenso wie die kleinwüchsigen, aber angriffslustigen Saurier weniger kühnen Jägern als Beute.
In einem Eilmarsch hatten Ralibar Vootz und seine Männer die Strecke zwischen der hyperboreischen Hauptstadt und ihrem angestrebten Jagdgrund an nur einem Tag bewältigt. Dann waren die glatten Steilhänge und abweisenden Felswände des Voormithadreth, des höchsten und eindrucksvollsten der Eiglophischen Berge, über ihnen in den Himmel gewachsen. Und als die Sonne am Nachmittag von ihrem Thron herabstieg, keilten finstere, schlackebedeckte
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