Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
Vom Netzwerk:
du nicht mit mir machen!«, brülle ich. Doch das bringt die Männer nur zum R ufen und Grölen, sie genießen meine panische Gegenwehr.
    Einen Moment lang nestelt Conall am Schloss, und sein Griff löst sich ein wenig. Ich kralle die Fingernägel in seinen Arm, und er zuckt zusammen. Ein kleiner Funken Hoffnung keimt in mir auf, aber als ich weglaufen will, reißt er die Käfigtür auch schon auf und schleudert mich hinein.
    Mit einem Knall schlägt die Tür zu und schließt ab.
    Das war es dann wohl. Ich bin in diesem Käfig gefangen mit einer angesteckten Frau, die sich jeden Moment wandeln könnte.
    »Holen wir noch eine Pestratte dazu?«, fragt Conall die kleine Menge. Er zieht den Ärmel über die Kratzer an seinem Unterarm.
    »Nee«, sagt einer. »Mal sehen, was die hier macht.Warte auf die anderen, dann legen wir richtig los.« Dann beschäftigen sie sich wieder mit ihrem Essen und ihremTratsch, und gelegentlich werfen sie einen Blick zu mir hoch.
    Ich presse den R ücken an die Käfigtür und stecke die Finger durchs Gitter. Keinen Meter vor mir liegt Dove mit ihrem toten Mann.Tränen der Frustration und der Angst stehen mir in den Augen, wütend wische ich sie weg. Dann schaue ich mir ihre Brust genau an.
    Ein paar Herzschläge später bin ich überzeugt davon, dass sie sich gewandelt hat, so reglos liegt sie da. Panik steigt in mir auf, zu viele Gedanken schwirren mir gleichzeitig durch den Kopf – losrennen, dableiben, rufen, weinen – irgendetwas tun, damit das hier aufhört. Ich kralle mich an die Käfigtür und versuche eine Schwachstelle zu finden, die jemand vor mir noch nicht entdeckt hat. Ich versuche zu fliehen, wo noch niemandem die Flucht gelungen ist.
    Und dann sehe ich, wie Doves Brust sich hebt und senkt, nur ganz wenig, und ich weiß, sie ist noch nicht tot. Es ist noch Zeit.
    Vorsichtig gehe ich zu ihr und knie mich so hin, dass die R ekruter ihr Gesicht nicht sehen können.
    »Dove? Ich bin’s, Annah.« Ich nehme ihre Hand, sie erwidert den Druck schwach.
    Sie schlägt die Augen auf. »Es tut mir leid«, sagt sie. Ihre Stimme ist eine ausgetrocknete leere Hülle, wie ihr Körper. Haut und Boden sind so voller Blut, dass ich nicht verstehe, wie sie noch leben kann. »Es tut mir leid, was mit dir geschehen wird. Ich werde nicht wissen, was ich tue. Ich werde es nicht verhindern können.«
    »Schon gut«, erwidere ich. Denn es ist ja nicht ihre Schuld.
    »Ich wünschte, sie hätten so was wie ein Gedächtnis«, sagt sie. »Ich wünschte, sie könnten verstehen.« Ob sie von den R ekrutern redet oder von den Ungeweihten, weiß ich nicht.
    »Buh«, ruft einer der Männer. »Nun stirb endlich!« Etwas Nasses klatscht an meinen R ücken, ich drehe mich um und sehe, dass ein R ekruter seinen leeren Blechbecher an den Käfig geworfen hat, der nun scheppernd zu Boden fällt.
    Das ist zu viel, ich springe auf, stürze mich ans Gitter und schlage mit den Fäusten dagegen. »Halt’s Maul!«, schreie ich ihn an. »Ihr seid es nicht wert zu atmen, ihr dreckigen Pestbeutel, und ich hoffe, euerTod wird so hässlich wie ihr!« Und obwohl mein Mund trocken ist, spucke ich ihn an.
    Der R ekruter beobachtet mich mit einem fiesen anerkennenden Lächeln. »Da hast du ja eine mit Feuer aufgetrieben, Conall.«
    Ich balle die Fäuste und drehe mich um, denn ich weiß, dass mein Ausbruch die Sache für sie nur vergnüglicher macht. Ich schließe die Augen, atme tief ein und beruhige meine Gedanken. Dove hat sich aufgesetzt und beobachtet mich, vor Anstrengung und Schmerz zitternd.
    Immer noch kämpft sie um ihr Leben, und das werde ich auch tun. Ich wirbele zu den R ekrutern herum. »Ihr habt ja keine Ahnung, womit ihr es hier zu tun habt«, brülle ich.
    Einer buht und bewirft mich mit einer Handvoll Essen. Ich wische ihn mir vom Arm, diesen wässerigen, faulig riechenden Matsch, der mir den Magen umdreht.
    Dann straffe ich die Schultern und kneife die Augen zusammen, lege alles an Hass undWut in meine Stimme. »Seid ihr so dumm, dass ihr nicht begreift, dass ich Catcher etwas bedeute? Er ist doch derjenige, der euch am Leben erhält.Was meint ihr denn, was er tun wird, wenn er zurückkommt und mich hier findet?Was werdet ihr machen, wenn er mich tot vorfindet oder als Ungeweihte?«
    MeineWorte scheinen endlich zu ihnen durchzudringen, sie schauen sich gegenseitig an, bevor sie sich ratsuchend zu Conall umdrehen. Der erhebt sich von seiner Bank, geht langsam dieTreppen hinab und bleibt vor dem Käfig stehen.

Weitere Kostenlose Bücher