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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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stehe einfach so da, mit zusammengekniffenen Augen und dem Blut des toten R ekruters auf meiner Haut, als Catcher die Tür aufmacht und die Arme um mich schlingt. Er zieht mich aus dem Käfig, doch erst als wir vor dem Gitter stehen, schaue ich auf und sehe, dass Dove noch immer bei ihrem Mann sitzt.
    Das Aufstehen macht ihr Mühe, sie schwankt unsicher, und als ein Bein versagt, fällt sie wieder auf die Knie. Sie streckt die Hand nach mir aus.
    Ich schnappe nach Luft.
    »Annah, bitte«, flüstert sie heiser. »Bitte, lass mich nicht hier. Nicht so.«
    Ich starre sie an. Und Conall auf dem Boden, der langsam verblutet. Dove ist so gut wie tot, das weiß ich. In ihr tobt die Ansteckung, ihre Organe versagen. Daran wird sie sterben, wenn der Blutverlust sie nicht schon früher tötet, doch was es auch sein wird, sie wird zur Ungeweihten werden.
    Sie wird nach mir und den Lebenden auf dieser Insel gieren, genau wie ihr Ehemann. Genau wie sie alle. Ich denke daran, wie ich mich gefühlt habe, eingesperrt im Zwinger mit der Angst, den Himmel nie wiederzusehen oder nie wieder frische Luft zu atmen.
    Ich weiß, dass sie dasselbe empfindet, doch wenn ich sie befreie, dann lasse ich die Ansteckung auf die Insel los. Ich bringe jeden, meine Schwester und Elias eingeschlossen, in Gefahr.
    Und doch kann ich sie nicht töten. Jetzt nicht. Sie lebt ja noch. Sie ist immer noch ein Mensch. Das ist eine Grenze, die Catcher überschritten hat, aber ich nie. Nicht einmal, um Gnade walten zu lassen.
    »Annah«, flüstert sie wieder. Ihr Arm zittert vor Anstrengung, sie hält mir die Hand hin, damit ich sie ergreife.
    Ich habe mich nie für einen grausamen Menschen gehalten . A pathisch und unentschlossen, das vielleicht, aber nie regelrecht unmenschlich. Ich habe versucht, mich um die in meinem Umfeld zu kümmern – oder ihnen doch zumindest keinen Schaden zuzufügen.
    Und trotzdem gibt es jetzt keine einfache Antwort. Es ist keine leichteWahl.
    »Annah?«, sagt Catcher leise neben mir. Er streckt die Machete von sich, deren Klinge immer noch blutverschmiert ist.
    Mein Atem brennt in mir, mein Herzschlag dröhnt mir in den Ohren. Es ist nicht gerecht, dass all das an mir hängen bleibt. Ich sollte wirklich nicht diejenige sein, die über das Schicksal eines anderen entscheidet. Ich bin doch kein Richter, der darüber urteilt, was richtig und was falsch ist.
    Ich stelle mir vor, wie ich die Finger in Doves Hand gleiten lasse, ihren Puls spüre, das Leben, das noch in ihr fließt . A ber es ist nicht ihre Hand, die ich festhalte, sondern das kalte Metall der Käfigtür . A ls ich sie schließe, kreischen die Angeln protestierend auf, und sie klappt mit so einem gleichgültigen R uck zu, dass ich zusammenzucke.
    Dove senkt die Hand. Sie kniet in der Mitte des verschlossenen Käfigs und starrt mich an. Ich möchte, dass sie diese Entscheidung versteht, sie soll begreifen, dass es in dieserWelt keine leichten Entscheidungen gibt, nur solche, die getroffen werden müssen.
    »Lass mich hier nicht so, Annah«, fleht sie.
    Ich weiche zurück. Wie kann man je wieder damit aufhören, wenn man erst einmal begonnen hat, über das Schicksal anderer zu entscheiden?
    »Annah.« Ihre Stimme bricht. »Lass mich nicht so werden wie sie! Annah!Tu das nicht! Lass mich nicht hier! Du musst mir helfen! Annah!«
    Sie hat recht, natürlich hat sie recht. Und ich bin so aufgelöst wegen meiner Unfähigkeit, das Richtige für Dove zu tun, dass Catcher mich aus dem Gebäude tragen muss. Mit großen Schritten eilt er die dämmrigen Flure entlang. Wir begegnen ein paar R ekrutern, die sich in die Schatten verziehen und uns mit argwöhnischen Blicken mustern.
    Ich presse das Gesicht an Catchers Brust.Wenn mich seine Berührung doch nur trösten könnte.Wenn sie mir doch das Gefühl geben könnte, heil zu sein.Wenn ich doch diese entschlossene Miene im Gedächtnis behalten könnte, mit der er Conall gesagt hat, dass ich die Frau sei, die er liebe.
    Aber ich höre nur Doves Flehen. Das Geräusch, mit dem die Käfigtür ins Schloss fiel. Und ich habe nur den einen Gedanken: Ich bin nicht der Mensch, für den ich mich gehalten habe. Ich bin egoistisch und schrecklich und grausam, genau wie die R ekruter.
    Ob man wohl so sein muss, wenn man in dieserWelt überleben will? Und wenn es so ist, verdient dann irgendeiner von uns überhaupt zu leben?
    »Glaubst du, sie kommen uns holen?« Ich stehe am Holzofen und brühe einen Kräutertee für Elias und meine Schwester. Den

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