Die Stadt der Wahrheit
räudige schwarze Ratte eine Siamkatze mit den Krallen zu Boden und machte sich daran, ihr die Kehle zu zerfleischen.
»Das hast du gut gemacht«, sagte mein Beschützer.
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5
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Die Wetteringenieure hatten gerade erst ihre Rheostate aufgedreht und den samstagmorgendlichen Himmel mit einem überwältigenden smaragdgrünen Sonnenaufgang überflutet, als Martina in mein Krankenzimmer gepoltert kam. Sie öffnete die Schublade meines Nachtkastens und holte ihr albernes Hufeisen heraus. »Es hat funktioniert!« frohlockte sie und hielt das Hufeisen hoch, als ob es ein Gabelknochen wäre, den wir gemäß dem alten Aberglauben brechen wollten, nach dem demjenigen, der den größeren Teil erwischte, ein Wunsch erfüllt würde.
»Ach?« sagte ich mit einem argwöhnischen Schnauben. Ich weigerte mich, in die Niederung des Aberglaubens hinabzusteigen – Psychoneuroimmunologie war etwas Wirkliches.
Sie ließ das Hufeisen in ihre Handtasche fallen. Ich hatte Glück gehabt, ließ sie mich wissen. Dem gewöhnlichen Antragsteller wurde normalerweise einen ganzen Monat lang im Hotel Paradies auf den Zahn gefühlt, während die Regierung über sein Schicksal entschied – in meinem Fall war es jedoch anders. Ich würde noch am selben Nachmittag – vorausgesetzt Dr. Krakower war einverstanden, mich gehen zu lassen – eine Unterredung mit Manny Ginsburg persönlich haben.
»Stell dir vor, Jack – dir ist eine Audienz beim Papst gewährt worden!«
Zwanzig Minuten später erschien Dr. Krakower, begleitet von dem ewig salbungsvollen Franz Beauchamps. Während Martina mich immer noch mit scheinbar echter Besorgnis betrachtete und Franz eine Art von schwärmerischem Mitleid an den Tag legte, untersuchte die Ärztin meine Verletzungen. Sie löste den Verband von meiner Kopfwunde, ertastete meine gebrochene Rippe durch das Klebepflaster – »das tut vielleicht ein bißchen weh«, hatte sie mich gewarnt, bevor sie einen Schmerzanfall auslöste – und erklärte mich vergnügt für reisefähig, obwohl sie mich gegen Sonnenuntergang noch einmal für eine weitere Untersuchung zu sehen wünschte.
Ich stieg in den Overall, den ich am Donnerstag für die Arbeit angezogen hatte: wie weit weg mir dieser Donnerstag erschien, wie entfernt und unwirklich. Martina und Franz führten mich durch die Eingangshalle der Klinik und durch den Park zum Ufer eines breiten Kanals, der auf einem Schild als Jordan bezeichnet wurde; sein Wasser war sauber und klar und roch angenehm nach einer Mischung aus Kräuterlimonade und Ahornsirup. Goldene Forellen huschten unter der Wasseroberfläche dahin wie die Spiegelungen von Mondstrahlen.
In neuem Anstrich prangend, lag eine rote Gondel am Anlegesteg vertäut. Wir stiegen ein. Während mein Beschützer das Boot mit der Stange abstieß und sein Ruder ins Wasser tauchte, weihte mich Martina in die Feinheiten hinsichtlich des Umgangs mit Papst Manny ein.
»Also zunächst einmal, er ist ein Ganzjähriger; er lebt ständig hier.« Für die meisten Schwindler, so führte Martina aus, war Satirev nur ein Stützpunkt, Zielort für periodisch durchgeführte Pilgerschaften, durch die man seine Begabung für die Verlogenheit erneuerte, während Manny Ginsburg niemals von hier wegging. »Das hat ihn ein wenig wunderlich gemacht«, erklärte sie.
»Das überrascht mich nicht«, sagte ich, während ein Wasserfrettchen aus dem Jordan sprang und sich einen arglosen getüpfelten Frosch vom Ufer schnappte.
»Spiele deine Hingabe an dein Kind so richtig hoch«, empfahl Martina. »Wie du Himmel und Erde bewegt hast, um ihn zu heilen. Der Mann liebt das Sentimentale.«
»Und sieh ihm nicht in die Augen«, fügte Franz hinzu. »Er haßt den direkten Blickkontakt.«
Mein Beschützer legte mit dem Boot an einem sauberen, stabilen, makellos weißgewaschenen Steg an, dessen Pfosten mit Nachahmungen von Pelikanen und Möwen aus Keramik verziert waren. Als gleichermaßen sauberes und ansprechendes Gebilde stand am Ufer eine Imbißbude oder möglicherweise eine Fischerhütte. Ein Schäferhund lag ausgestreckt auf der Fußmatte; sein Kopf beschrieb träge Kreise, da er die Flugbahn einer Libelle verfolgte.
»Der Heilige Stuhl«, sagte Martina und deutete in die entsprechende Richtung.
»Das ist eine Imbißbude«, berichtigte ich sie.
»Es ist der Heilige Stuhl«, sagte Franz, während er die Gondel mit Seilen am Steg festband.
»Wir verfügen vielleicht nicht ganz über den Etat, den wir gerne hätten«, sagte der
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