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Die Stadt der Wahrheit

Die Stadt der Wahrheit

Titel: Die Stadt der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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jemanden ausüben würde, der gezwungen war, es regelmäßig zu betrachten.
    »Morgen? Ist es schon Freitag?«
    »Sehr gut«, antwortete die Ärztin vergnügt. Ihr Lächeln war so knackig und strahlend wie der Mond zwischen halb und voll. »Ich bin Felicia Krakower, und ich hoffe ehrlich und aufrichtig, daß Sie sich besser fühlen.«
    Auf der anderen Seite des Raums saß ein alter Mann, dessen Haut die Farbe von Oolong-Tee hatte, aufrecht auf seiner Matratze; sein Kopf war mit einem Turban aus leuchtend weißen Verbänden umwickelt.
    »Die Rippe tut mir weh«, sagte ich.
    »Es tut mir schrecklich leid, das hören zu müssen«, sagte Dr. Krakower. »Machen Sie sich keine Sorgen, Sie sind jetzt in Satirev.«
    »Satirev?«
    »Das finden Sie auf keiner Karte.« Dr. Krakower schwenkte ein Thermometer durch die Luft, als ob sie ein Orchester dirigierte.
    »Buchstabier es doch mal rückwärts«, schlug mein Zimmernachbar vor. »Ich bin übrigens Louie. Gehirntumor. Nichts Wichtiges. Er wächst nur und wächst da oben drin, wie Moos, und dann eines Tages – pfft bin ich weg. Der Tod ist ein außergewöhnliches Abenteuer.«
    Ich schob mir das Thermometer zwischen die Lippen. Satirev… Veritas… Satirev… Veritas…
    Meine Unterkunft war mit einer leuchtend gelben Farbe gestrichen und mit gleichermaßen leuchtenden Lügen ausgestattet – einem postergroßen Exemplar von Keats’ Ode On A Grecian Urn, einer Reproduktion von Van Goghs Sonnenblumen, einem Druck von Salvador Dalis wohlbekannter Landschaft mit Bäumen, die statt Früchten Uhren trugen. Ich spähte durch ein rosa getöntes Fenster. Draußen stützte eine Reihe von korinthischen Säulen ein geschnitztes Kapitell mit der Inschrift ZENTRUM FÜR SCHÖPFERISCHES WOHLBEFINDEN.
    Während Felicia Krakower das Thermometer entfernte, betastete ich meine eingeschlagene Seite und sagte: »Frau Doktor, Sie haben doch bestimmt von der Psychoneuroimmunologie gehört, nicht wahr?«
    »Von dieser Seele-Körper-Verbindung?«
    »Genau. Der Patient nimmt eine so positive Grundeinstellung ein, daß ihm die Krankheit nicht ernsthaft etwas anhaben kann. Hat es das jemals gegeben?«
    »Natürlich gibt es das«, antwortete die Ärztin und fuhr mit dem Zeigefinger an dem leuchtend gelben Rohr ihres Stethoskops entlang. »Wunder geschehen jeden Tag – die Sonne geht auf, ein Baby wird geboren –, das sollten Sie niemals vergessen, Jack Sperry.«
    Welch herrliches Gefühl, unter Menschen zu sein, die keine Angst vor der Hoffnung hatten. »Sie sind phantastisch, Frau Doktor – übrigens, habe ich Fieber?«
    »Vielleicht ein wenig erhöhte Temperatur. Kein Grund zur Besorgnis. In Satirev bleibt niemand lange krank.«
    »Ich müßte mal meine Frau anrufen.«
    Entgegen meiner Erwartung wurde das Lächeln der Ärztin noch breiter. »Sie haben eine Frau? Ausgezeichnet. Sehr schön. Ich werde ihre Bitte unverzüglich an die Innere Sicherheit weiterleiten. Würden Sie bitte den Mund aufmachen?«
    »Weshalb?«
    »Zu Ihrem eigenen Besten.«
    Ich bewegte die Lippen auseinander. Die Ärztin legte mir eine zuckersüße, nierenförmige Kapsel auf die Zunge und reichte mir ein Glas Wasser. »Wieso wissen Sie, daß es zu meinem Besten ist?«
    »Vertrauen Sie mir«, sagte Dr. Krakower.
    »In Satirev trauen die Menschen einander«, sagte Louie.
    »Eine Schlaftablette?« fragte ich und schluckte.
    »Könnte sein«, sagte die Ärztin.
    Eine Schlaftablette…
     
    Als ich ins Bewußtsein zurückkehrte, beugte sich Martina Coventry über mich, immer noch in ihr aufreizendes Silberkleid eingezwängt. Neben ihr stand ein großer, schlaksiger Mann mit großporiger Haut, bekleidet mit einer grünen Smokingjacke, die eng über einem Sweatshirt mit der Aufschrift WENN DAS SCHICKSAL DIR SAURES GIBT, MACH EIN SAURES BONBON DRAUS. Er sah aus wie ein Kaktus.
    »Martina!«
    Sie legte mir eine fleischige Hand auf die Stirn. »Sag guten Tag zu Franz Beauchamps.«
    »Guten Tag«, sagte ich zu dem kaktoiden Menschen.
    »Ich bin verantwortlich dafür, daß du nicht das Weite suchst«, erklärte Franz mit einer Stimme, die klang, als wäre sie vor Betreten des Raumes durch ein Honigfaß gezogen worden. »Keine große Sache. Gib mir einfach dein veritasianisches Wort, daß du nicht davonlaufen wirst.«
    »Ich werde nicht davonlaufen.«
    »Gut für dich.« Das Grinsen meines Beschützers war so bühnenreif wie das von Felicia Krakower; ich war einer Bande von Lächlern in die Hände gefallen. »Ich habe das Gefühl, wir

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