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Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Titel: Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clarke Arthur C.
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Bewohner Diaspars viele Jahrtausende in den Gedächtnisanlagen der Stadt zubrachten.
    Zu gegebener Zeit vereinigte eine geheimnisvolle biologische Kraft wieder die verstreuten Bestandteile, und der Polyp trat in einen neuen Lebenskreislauf ein. Er kehrte ins Bewusstsein zurück und erinnerte sich an seine vergangenen Lebensperioden, doch manchmal nur lückenhaft, da gelegentlich Zellen beschädigt wurden.
    Vielleicht hätte keine andere Lebensform einem Glauben so lange treu bleiben können, der von allen anderen seit tausend Millionen Jahren vergessen war. In gewisser Weise schien der große Polyp ein Opfer seiner biologischen Natur zu sein. Seiner Unsterblichkeit wegen konnte er sich nicht verändern; er war gezwungen, in alle Ewigkeit immer wieder den gleichen Kreislauf zu wiederholen.
    Die Religion der Großen wurde in ihrem späten Stadium mit einer Verehrung der Sieben Sonnen gleichgestellt. Als sich die Großen hartnäckig weigerten zu erscheinen, versuchte man, ihre ferne Heimat mit Signalen zu erreichen. Schon vor langer Zeit war dieses Signalisie ren zu einem bedeutungslosen Ritual herabgesunken, jetzt durchgeführt von einem Tier, das vergessen hatte, wie man lernte, und einem Roboter, der nie gewusst hatte, wie man vergaß.
    Als die unermesslich alte Stimme schließlich schwieg, wurde Alvin von einer Aufwallung des Mitleids übermannt. Die falsch angebrachte Hingabe, die Treue, die das Wesen nutzlos bewahrt hatte, während Sonnen und Planeten vergingen – nie hätte er eine solche Geschichte geglaubt, wenn er nicht den Beweis vor Augen gehabt hätte. Mehr denn je betrübte ihn das Ausmaß seiner Unwissenheit. Für einen kleinen Augenblick war ein winziger Bruchteil der Vergangenheit ins Licht gerückt worden, aber jetzt hatte sich schon wieder das Dunkel darüber geschlossen.
    Die Geschichte des Universums musste ein Gewirr aus solchen voneinander getrennten Fäden sein, und niemand konnte entscheiden, welche wichtig und welche unbedeutend waren. Diese fantastische Erzählung vom Meister und den Großen schien eine weitere jener Legenden zu sein, die irgendwie die Zivilisation der Frühzeit überlebt hatten. Aber die Existenz des riesigen Polypen und des stumm beobachtenden Roboters hinderten Alvin daran, die Geschichte als Fabel abzutun.
    Irgendwie sah er den Roboter als das wichtigere der beiden Wesen an. Er war der Vertraute des Meisters gewesen und musste all seine Geheimnisse kennen.
    Alvin wandte sich dem rätselhaften Apparat zu, der ihn unverwandt anstarrte. Warum wollte er nicht sprechen? Welche Gedanken wanderten durch sein kompliziertes und vielleicht fremdartiges Gehirn? Aber wenn er dem Meister gedient hatte, konnte sein Gehirn nicht ganz fremdartig sein, und er müsste auf menschliche Befehle reagieren.
    Als er an die vielen Geheimnisse dachte, die dieser eigen sinnig stumme Roboter sicherlich besaß, fühlte Alvin eine Wissbegierde, die fast an Habgier grenzte. Es schien ungerecht, dass so viel Wissen verschwendet und die Welt darum betrogen sein sollte; hier mussten Wunderdinge im Verborgenen ruhen, die sogar das Fassungsvermögen des Zentralgehirns in Diaspar überschritten.
    »Warum spricht dein Roboter nicht mit uns?«, fragte er den Polypen, als Hilvar im Moment keine Frage mehr einfiel. Die Antwort, die er erhielt, hatte er halb erwartet.
    »Es war der Wunsch des Meisters , dass er nur mit seiner Stimme sprechen sollte. Sie aber schweigt jetzt.«
    »Aber dir gehorcht er?«
    »Ja. Der Meister hat ihn in unsere Obhut gegeben. Wir können durch seine Augen sehen, wohin er auch geht. Er bedient die Maschinen, die diesen See bewahren und das Wasser rein halten. Aber es wäre richtiger, ihn nicht unseren Diener, sondern unseren Gefährten zu nennen.«
    Alvin dachte darüber nach. Eine Idee begann sich, noch vage und verschwommen, herauszubilden. Vielleicht wurde sie durch das schiere Verlangen nach Wissen und Macht hervorgerufen. Auch wenn er später an diesen Augenblick zurückdachte, konnte er seine Motive nicht genau bestimmen. Sie mochten zum größten Teil egoistisch gewesen sein, aber sie hatten auch ein gewisses Mitleid eingeschlossen. Wenn irgend möglich, wollte er den nutzlosen Kreislauf unterbrechen und diese Wesen von ihrem bedauernswerten Schicksal erlösen. Er wusste nicht genau, was man bei dem Polypen erreichen konnte, aber vielleicht war es möglich, den Roboter von seinem Wahnsinn zu heilen und gleichzeitig seine unbezahlbaren verborgenen Erinnerungen

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