Die Stahlkönige
für mich wäre es, wenn du deine Mitmenschen in Frieden leben lässt. Aber die Welt ist schlecht, und ich sollte dich nicht tadeln, weil du gemäß ihren Regeln lebst. Da wir gerade von Belohnung reden: Du schleppst reichlich Geld mit dir herum und alle deine Waffen sind aus Stahl. Den sieht man hier nur selten, und ich bin sicher, auch im Reich von Stahlkönig Hael ist das nicht alltäglich.«
»Du bist neugierig«, sagte er mürrisch.
Sie zuckte die Achseln. »Vor ein paar Tagen war ich sicher, dass du stirbst. Deshalb habe ich deine Habe durchsucht. Ansonsten hätte ich es nicht getan.«
Er unterdrückte eine bissige Bemerkung, denn er wusste, dass seine Habe für diese Frau ein Vermögen bedeutete. Dennoch hatte sie alles getan, um ihn zu retten. In diesem Land war allein sein Schwert unsagbar wertvoll und das Cabo sogar noch kostbarer. Sie hätte ihm nicht helfen müssen.
»Mein Vater sagt, jeder von uns hat einen bestimmten Lebenszweck zu erfüllen, und es gibt Dinge, die nur ein Krieger tun kann.«
»Dein Vater ist ein Philosoph.«
»Das Wort kenne ich nicht. Er ist ein Geistersprecher.« Das stimmte immerhin zum Teil.
»Ein Geistersprecher«, wiederholte Sternenauge. »Ich würde ihn gerne kennen lernen. Hier gibt es keine Geistersprecher. Die Regierung verbietet jegliche Verbindung zu übernatürlichen Wesen.«
»Eure Regierung versucht, jede Einzelheit eures Lebens zu beherrschen«, meinte er nachdenklich.
»Meistens hat sie damit Erfolg.«
»Warum kümmert es sie, ob ihr an Geister oder an Götter glaubt?«
»Eifersucht! Die Herrscher wollen, dass die Menschen niemand außer ihnen dienen. Sogar die Soldaten werden schon als Kinder in Kasernen gebracht und dort erzogen. Daher kennen sie keine Familien und sind nur der Ratsversammlung treu ergeben.« Ihre Stimme klang verbittert. »Es ist eine Art Abgabe für die einzelnen Gebiete – eine bestimmte Menge Knaben pro hundert Morgen Land.«
»Warum lassen sich die Leute das gefallen?«
»Menschen lassen sich alles gefallen, wenn sie es nicht anders gewohnt sind. Sie fürchten Veränderungen und Unsicherheit mehr als das Böse, das ihnen vertraut ist.«
Zwei Tage später erlaubte sie ihm aufzustehen und ein paar Schritte zu machen. Danach ging seine Genesung mit Riesenschritten voran. Während dieser Zeit sah er Sternenauge nicht oft. Tagsüber war sie unterwegs und suchte nach den Kräutern, die sie für ihre Patienten brauchte. Er fragte sich, wie sie trotz ihrer Abgeschiedenheit als Heilerin wirken konnte. Sie erklärte ihm, dass sie einmal im Monat in die umliegenden Dörfer reiste, Kranke und Verletzte behandelte, Kräuter verkaufte und dann wieder heimkehrte.
»Wenn man eine Heilerin ist, suchen die Menschen Tag und Nacht Hilfe. Das ist ein guter Grund, ein wenig abseits zu leben.«
Kairn erzählte ein wenig von seiner Mission, verschwieg aber, dass es sich bei dem Gesuchten um seinen Vater handelte.
»Ich sage es nur ungern, aber der wahrscheinlichste Ort, an dem du suchen solltest, ist Felsenstein«, sagte Sternenauge eines Tages.
»Dort wollte ich hin, als uns die Banditen angriffen. Warum sagst du es ungern?«
»Weil es ein entsetzlicher Ort ist. Es ist der Sitz der Versammlung, der Regierung. Dort herrschen Gewalt und Korruption.«
»Und Reichtum?«
»Das auch. Fast alle Reichen und Mächtigen leben in der Stadt. Wenn er mit Luxusgütern handelt, hat er sich dorthin begeben.«
»Erzähle mir mehr darüber.«
»Die Mächtigen bespitzeln einander fortwährend und schmieden nichts als Ränke und Intrigen. Das gilt besonders für die Ratsherren, die sich unentwegt gegenseitig zu vernichten suchen. Die Stadtwache beobachtet sämtliche Bürger. Es ist besser tot zu sein, als dort zu wohnen.«
»Du scheinst sehr viel über Felsenstein zu wissen«, meinte Kairn. Sternenauge antwortete nicht.
Es war immer das Gleiche mit dieser Frau. Sie redete endlos über ihre Arbeit. Sie kannte alle Tiere und Pflanzen der Wälder besser als er die Kreaturen seiner Heimat. Auch die geringste Pflanze erfüllte einen Zweck, und sie wusste genau, wie sie nützlich angewandt wurde. Sie sprach von ihren »Nachbarn«, von denen keiner in der Nähe lebte. Einige waren sogar Nomaden, die mehrmals im Jahr unweit der Hütte vorbeizogen.
Aber wann immer er sie zu ihrer Vergangenheit befragte, wich sie aus. Warum sie hier war, wer sie früher war – dazu sagte sie kein Wort. Seine Vermutungen stützten sich auf Beobachtungen und ihre unabsichtlichen
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