Die Stahlkönige
Gürteltasche und war bereit.
Lautlos betraten sie das Hauptgebäude der Festung, eine Mischung aus Palast und Burg mit engen Fluren und großen Räumen. Auf dem Weg sah Kairn ein paar reglose Gestalten: Wachen, die seinem Vater auf dem Weg zum Kerker begegnet waren.
Schließlich erreichten sie einen von zahlreichen Kerzen erhellten Raum. Hael suchte ein paar Sachen zusammen. Darunter befand sich auch ein drei Fuß langes Bündel, das er sich über den Rücken hängte. Ein Balkon grenzte an das Zimmer. Vermutlich war es der Balkon, auf dem er Todesmond und seinen Vater am Vortag gesehen hatte. Er ging darauf zu, aber Hael hielt ihn an der Schulter fest.
»Warte, bis ich die Kerzen gelöscht habe«, flüsterte er. »Wir möchten doch nicht von den oben stehenden Wachen gesehen werden, wenn wir über die Brüstung klettern.«
Kairns Magen krampfte sich zusammen, als er die Bedeutung dieser Worte erfasste. Gleichzeitig klopfte sein Herz schneller. Das war etwas, mit dem er angeben konnte, wenn sie heimkehrten. Falls er überlebte.
Hael löschte die Kerzen, dann nahm er Kairn beim Arm und führte ihn auf den Balkon hinaus. Er senkte die Stimme zu einem kaum hörbaren Flüstern.
»Hätte ich dich gestern nicht dort unten bemerkt, wäre mir der Pfad gar nicht aufgefallen. Es bedurfte meiner ganzen Willenskraft, um mir meine Bestürzung nicht anmerken zu lassen, aber Todesmond fällt nur wenig auf, wenn er gerade redet.«
»Habe ich gemerkt«, flüsterte Kairn.
»Ich musste bis zum Einbruch der Dunkelheit warten, um genügend Tücher zu zerreißen, damit ich ein Seil zusammenknoten konnte.« Kairn sah die blitzenden Zähne, als sein Vater lächelte. »Hoffentlich ist es lang genug.« Hael bückte sich, hob ein Bündel vom Boden auf und warf es über die Balkonbrüstung. Beide blickten nach oben, ob die Wachen etwas bemerkt hatten. Es war nichts zu sehen, aber bei dem schlechten Licht war das auch kein Wunder.
»Ich gehe als erster«, sagte Hael.
»Nein, lass mich …«
»Wenn dein Arm beim Klettern zu schwach ist, kann ich dich da unten auffangen.«
»Vater, sei nicht albern! Niemand ist in der Lage, einen anderen auf dem schmalen Pfad aufzufangen.«
»Warum gehorchen mir meine Söhne nie?«
»Weil wir deine Söhne sind. Ich gehe zuerst. Halte das Seil fest. Wenn es schlaff wird, stehe ich auf dem Pfad und du kannst mir folgen.« Oder ich bin abgestürzt, dachte Kairn. Mit wild pochendem Herz kletterte er über die Brüstung, klammerte sich an das Seil und kletterte in die Tiefe.
Sofort merkte er, dass ihn die erlittenen Qualen viel mehr geschwächt hatten, als er angenommen hatte. Der Arm, in den sich die Spitze gebohrt hatte, war kaum in der Lage, fest zuzupacken, und seine Hand rutschte immer wieder ab. Auch seine Beine waren nicht mehr so sicher wie sonst. Er konnte nicht einmal die Zähne zusammenbeißen, da sein Kiefer schmerzte. Kairn gelobte sich, keinen Ton von sich zu geben, falls er abstürzte. Die Flucht des Vaters hing von seinem Schweigen ab. König Hael musste unbedingt nach Hause reisen.
Genau in dem Augenblick, als er sicher war, sich nicht länger halten zu können, berührten seine Zehen den Pfad, aber nur den äußeren Rand. Er würde sich nach innen schwingen müssen, um genug Platz zum Stehen zu finden. Kairn beschwor seine Arme, noch ein wenig auszuhalten, und schwang sich wie ein Pendel hin und her, bis er endlich festen Boden unter den Füßen hatte. Mit angehaltenem Atem schwang er noch einmal vor und ließ sich fallen. Halb bewusstlos, keuchend und mit einem Rauschen in den Ohren stand er auf dem Weg und war in Sicherheit.
Als er nach oben sah, erblickte er Hael, der schnell und geschickt am Seil herabkletterte. Bei ihm sah es ganz einfach aus. Kairn packte das Seil, um dem Vater den Weg zu weisen, begriff dann aber, dass er ihn gar nicht sehen konnte. Der Himmel wurde allmählich heller. Es war schon spät. Hael sprang auf den Pfad und umarmte seinen Sohn.
»Als das Seil erschlaffte, wusste ich nicht, ob du es geschafft hast oder nicht.«
»Du hattest keine Schwierigkeiten.«
»Mich hat man auch nicht gefoltert. Jetzt müssen wir die Cabos finden. Ich glaube, in der Nähe des Burgtors ist ein Stall. Innerhalb der Festung gibt es keine Tiere.«
Sie eilten den Pfad entlang, bis Kairn die Treppe entdeckte, die zu der Allee führte. Sie beschrieben einen großen Bogen und gingen wieder auf die Festung zu, obwohl er sich nichts sehnlicher wünschte, als ihr den Rücken zu kehren.
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