Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
Von unserem Regiment agierten vier bis fünf Trupps. Hier zeichneten sich erneut Maximow, Babajew und Kudrjawzew aus, denen später Orden verliehen wurden. Die Panzer kamen und nahmen das Haus unter direkten Beschuss, und anschließend stürzten unsere Sturmtrupps in die Zimmer, doch die Deutschen leisteten auch dort noch Widerstand. Etwa 100 Mann wurden getötet, 60 Mann gaben sich gefangen. Wir nahmen ihr Sanibataillon gefangen. Ich konnte nicht glauben, dass das ein Sanibataillon war. Die Sanitäter trugen neue Mäntel, absolut fleckenlos. Mir kamen sie wie verkleidete Offiziere vor, obwohl sie auf jede erdenkliche Weise zu zeigen versuchten, dass sie keine Offiziere waren und mit der Verteidigung des Hauses nichts zu tun hatten.
Am 31. um 16 Uhr fiel der letzte Stützpunkt der Deutschen im Stadtzentrum. Unser Künstler zeichnete das Offiziershaus.
Am 31. erlitt unser Regiment einen seiner schwersten Verluste. Wassili Iwanowitsch Rakitjanski [644] , Agitator des Regiments, ein furchtloser Mann, zweimal verwundet, wurde von einer Mine zerrissen. Er kam auch aus Sibirien, war zweiter Sekretär des Parteikomitees von Narym gewesen, von Haus aus Literat, Politarbeiter. Sein größter Wunsch an diesem Tag war es, mit den Soldaten an die vorderste Linie zu gehen, und sobald der Stützpunkt eingenommen war, hatte er schon die rote Flagge bereit. Rakitjanski verabredete mit dem Kameramann, dass er die rote Flagge tragen und auf dem Hotel hissen würde. Der Kameramann hatte schon alles vorbereitet, als Rakitjanski auf die Mine trat. Ein sinnloser Tod. [645] […]
Am 1. Februar rückte die ganze Division aus dem Stadtzentrum zum Kampf gegen die nördliche Gruppierung vor. […] In der Nacht auf den 2. erhielten wir unseren Kampfbefehl: in Richtung Flughafen und Fallschirmturm vorstoßen, dann nach rechts in die Fabrik »Barrikaden«. Es war interessant, dass die Soldaten selbst noch vor dem Befehl mit dem Angriff begannen. Sie merkten, dass die Sache ganz gut aussah, dass die Deutschen selten schossen, in Gefangenschaft gingen, und ungefähr 30 Minuten vor dem Befehl gingen sie zum Angriff über. Der Regimentskommandeur kam an, und der Kampf war schon im Gange. Die Deutschen wehrten sich ordentlich, besonders in der Fabrik »Barrikaden«, doch unser Vorstoß war stürmisch, wir hatten viele Leute und brachten die Deutschen kräftig in Bedrängnis. An dem Tag machten wir mehr als 800 Gefangene. Während der gesamten Kämpfe in Stalingrad machten wir 1554 Gefangene. Schon zu Beginn mussten einzelne Verteidigungsherde der Deutschen vernichtet werden. Eine kompakte Verteidigung gab es im »Barrikaden«-Werk. Wir nahmen Regimentskommandeure gefangen, Stabschefs. Abends gingen wir Offiziere verhören. Ich weiß noch, wie sie mir den stellvertretenden Stabschef der 113. Division in den Unterstand brachten, einen Major. Der stellvertretende Chef eines rückwärtigen Stabs und ein Divisionskommandeur wurden gefangen genommen. Die Gefangenen verhielten sich sehr geschmeidig, sehr loyal. Als wir sie verhörten, konnten sie sich nicht gleich erinnern, irrten sie sich, doch andere verbesserten sie um die Wette, erzählten scheinbar aufrichtig und bemühten sich, ihre Aufrichtigkeit zu beweisen. Ein Major trug eine Rotarmistenmütze, doch mit faschistischem Hakenkreuz. Ein Soldat aus dem Kommandantenzug riss ihm die Mütze vom Kopf, riss das Hakenkreuz ab, warf es ihm hin, und die Mütze warf er zur Seite.
Die Fabrik »Barrikaden« wurde ebenfalls eingenommen. Das war die letzte Festung der nördlichen Gruppierung. Die Fabrik »Barrikaden« fiel am 2. Februar um 13.30 Uhr. Kurz nach 14 Uhr waren alle Operationen abgeschlossen, und unsere Division rückte ans Wolgaufer vor.
14.30 Uhr – das kann man als die historische Stunde bezeichnen, in der die Kanonade der Schlacht um Stalingrad für immer verstummte. Als ich per Telefon davon erfuhr, schrieb ich in mein Tagebuch: »Ruhm den Siegern! Heute, am 2. Februar 1943 um 14.30 Uhr, endete das letzte Gefecht um Stalingrad in der Fabrik ›Barrikaden‹. In dieser historischen Stunde ertönte der letzte Schuss der großen Schlacht. Heute verstummte die Kanonade. Wir haben Stalingrad verteidigt, und Tausende Deutsche schleppen sich jetzt über die Wolga. Sie müssen unsere Fähigkeit, zu kämpfen und zu siegen, anerkennen. Ich weiß, dass unsere Nachkommen sich noch in ferner Zukunft an diese Schlacht erinnern werden. Erst jetzt, wo der Kopf sich langsam von der
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