Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
aber auch von anderen Gefangenen sind in den Kompanien noch 25 bis 30 Mann. Die Deutschen waren überrascht von der Hartnäckigkeit, mit der unsere Verbände kämpften. Bei einem toten Feldwebel, sein Name war Steinberg, wurde ein nicht abgesandter Brief gefunden, in dem er schrieb: »Die Russen verteidigen sich auf diesem Abschnitt besonders erbittert und hartnäckig. Sie wissen sehr gut, was diese Stadt für eine Bedeutung hat und was ihr Fall für Folgen haben würde.« Unter Feldwebeln kann man auf ziemlich gebildete Deutsche treffen, sehr oft mit Hochschulabschluss, normalerweise mit Mittelschulbildung.
So stand es bis zur Kesselbildung. Mitte November wurden im Don-Gebiet und südlich von Stalingrad Schläge gegen die Deutschen geführt, und der Kessel um die 6. Armee begann sich zu schließen. Ab dem 19. November warfen die Deutschen fieberhaft Verbände von Stalingrad an den Don. Ich habe selbst am 20., 21. und 22. November eine Kette deutscher Fahrzeuge mit Infanterie gesehen, die sich nach Westen bewegte. Schon am 17. November war die 16. Panzerdivision, mit Ausnahme weniger kleiner Einheiten, abgezogen und nach Kalatsch geworfen worden, um unsere Truppen daran zu hindern, den Kessel zu schließen. Am Abend und in der Nacht des 22. November war ich Zeuge permanenter Detonationen im Rücken der Deutschen, wobei die Deutschen erbittert feuerten, besonders an unserer linken Flanke. Ich persönlich konnte nicht zur vordersten Linie gehen. Man hätte 400 Meter über die offene Steppe laufen müssen, und das war unmöglich. So ging es bis sechs Uhr morgens, dann wurde es still. Als unsere Aufklärer sich gegen acht Uhr morgens den deutschen Schützengräben näherten, war niemand da. Auf der linken Flanke unserer Armee, von der Wolga nach Westen, hatten sich die Deutschen auf einem Abschnitt von acht bis zehn Kilometern zurückgezogen. Am 23. November nahmen wir auf der linken Flanke der 99. Division kampflos Tomilin, Akatowka, Winnowka und Lotoschanka [726] ein und vereinigten uns mittags mit den Verbänden der 62. Armee. Erst nach der Vereinigung trafen Verbände der 99. Division beim Versuch, eine beherrschende Höhe einzunehmen, in der Gegend von Rynok auf erbitterten deutschen Widerstand. Doch die Höhe wurde eingenommen. Hier hatten wir schon auf dem ganzen Abschnitt keinen Toten mehr. […]
An der rechten Flanke unserer Armee blieben die Deutschen wie vorher liegen. Die Deutschen zogen sich hastig zurück, sprengten Vorratslager, Fahrzeuge, zündeten Unterstände an, vergruben Dinge. So gruben wir in der Steppenschlucht Suchaja Metschetka am Morgen ein Lager von Uniformen, Stiefeln usw. aus. Dort hatten deutsche Bataillone und die Etappe von den Regimentern gelegen. Ich musste in die meisten Unterstände gehen. Es waren die ersten deutschen Unterstände, in denen ich war. Wir haben dort fürchterliche Dinge gefunden, die die deutschen Räuber voll und ganz charakterisierten. Es genügt, Folgendes zu berichten. Ich verstehe, dass man, ausgehend von der Logik des Siegers und von der Logik des Soldaten, ein Federbett mitnimmt, warme Kleidung vielleicht, einen Spiegel, aber warum zum Teufel nimmt man einen Kinderwagen mit? Zum nächsten Dorf waren es zehn Kilometer! Oder ein Säuglingshemdchen – das habe ich mit eigenen Augen in einem Unterstand gesehen. Die reinste Bibelgeschichte. Das Hemdchen kann man noch nach Deutschland schicken, aber wohin mit dem Kinderwagen? Mir haben Dorfbewohner erzählt: da hängt eine alte zerrissene Bauernbluse, eine Frauenbluse. Ein Deutscher geht hin, steckt sie in die Tasche. Er braucht sie vielleicht nicht, aber die Räuberpsychologie ist ihm so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er alles nehmen muss, egal, ob er es braucht oder nicht. […]
Kopflosigkeit und Panik der Deutschen beim Rückzug in den Novembertagen werden sowohl durch Aussagen von Gefangenen als auch durch sichergestellte Tagebücher und andere Dokumente bezeugt. Ich zitiere aus dem Tagebuch des Soldaten Heinz Goßmann [?], Feldpost 1287 Z.
»21. November. Gestern wurde um drei Uhr plötzlich geweckt, um fünf Uhr war Abmarsch. Die Russen sind im Abschnitt der Italiener und Rumänen durchgebrochen. Die haben alles hingeworfen und sind abgehauen, und wir müssen die Suppe auslöffeln. Um 17 Uhr schnitten die Russen uns die Straße für den Rückzug ab. Um 18 Uhr waren wir eingekreist. Unsere drei Geschütze, das einzige Mittel zur Verteidigung, sind zerstört.
20 Uhr. Endlich,
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