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Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Titel: Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Hellbeck
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Gefangenen erlebt, habe selbst gesehen, wie gut die Rotarmisten gekleidet und bewaffnet seien. Unter den Anwesenden befand sich Oberfeldwebel Polte, der Kommandeur. Er unterbrach Holzapfel und sagte: Das ist alles Propaganda, dich haben sie gut verpflegt, in Wirklichkeit ist das in Gefangenschaft nicht so. Polte brachte Holzapfel zum Bataillonschef Hauptmann Bitermen. Danach wurde Holzapfel nicht mehr gesehen, wohin er verschwunden ist, weiß niemand.«
    Drei Tage vor dem Fall Holzapfel hätten sich die Soldaten auch schon darüber unterhalten, dass jemand aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrt sei und erzählt habe, die Gefangenen würden dort gut behandelt.
    Nach Holzapfels Verschwinden redeten die Soldaten darüber, dass an seinem Bericht wohl einiges wahr sei. »Ich«, erklärte der Kriegsgefangene, »sagte den Soldaten: Seid ruhig, warten wir ab, was kommt, vielleicht werden wir uns in Gefangenschaft begeben. Habt keine Angst, tut, was ich euch befehlen werde.« Am 10. Januar, als der Angriff von Einheiten der Roten Armee begann, habe Hünel kommandiert: Alle anziehen und rausgehen! »Ich hatte zwei Maschinengewehre und sieben Soldaten zur Verfügung«, sagte der Gefangene. »Wir hätten uns verteidigen müssen und können, aber als die Russen kamen, befahl ich, nicht zu schießen, sondern die Hände hochzuheben. Von 7 Mann hoben 6 die Hände, einer stürzte ans Telefon, um dem Kompaniechef zu melden, was hier los war. Er wurde von den anrückenden Rotarmisten getötet, die Übrigen ergaben sich.
    Alle Soldaten sind bereit, sich in Gefangenschaft zu begeben, aber dafür brauchen sie den Befehl. Ohne den Befehl ihrer Vorgesetzten gehen nur sehr wenige in Gefangenschaft. Alle sind dermaßen abgestumpft und physisch geschwächt, dass sie die Fähigkeit verloren haben, selbständig zu denken. Auch begeben sich die deutschen Soldaten nicht in Gefangenschaft, weil sie dies für Feigheit und Verrat an ihren Kameraden halten. Wenn aber der Befehl gegeben wird, in Gefangenschaft zu gehen, dann trägt der Befehlende die Verantwortung für die Folgen.«
    Im Zusammenhang mit der Verschlechterung der Stimmung sei die Beobachtung der Soldaten in letzter Zeit verstärkt worden. In allen Tonarten versuche man, die Soldaten zu trösten. Die Offiziere wiederholten ständig – Geduld, bald wird es leichter. Anfang Januar stand in allen deutschen Zeitungen Görings Rede, in der es hieß, wer im Kessel bei Stalingrad gewesen sei, der werde Urlaub und ein Paket vom Führer erhalten. Der Proviant werde den Eingeschlossenen aus der Ukraine geliefert, und die Soldaten hätten keinen Grund zur Sorge.
    Die Soldaten lasen diese Rede, und viele lachten bitter, war doch der Sommer im Kampf vergangen, die Truppen hatten große Verluste erlitten, man hatte ihnen versprochen, sie zu entsetzen, und tat es nicht. Den Eingeschlossenen versprach man Hilfe, aber diese Hilfe kam nicht, also konnte man auch dieser Rede nicht glauben.
    In den letzten Tagen hatten die Soldaten bemerkt, dass man, wenn jemand Unzufriedenheit und, wie die Offiziere sagen, »schädliche Stimmungen« äußert, ihn beobachtet und zu entschärfen versucht. Bei der Bespitzelung der Soldaten helfen freiwillig Nazis, die sich durch Spionage einschmeicheln wollen. Es gibt keinen Befehl, die Soldaten zu bespitzeln, aber die Nazis halten dies für ihre Pflicht.
    Die Soldaten sagen oft unter sich, dass die Offiziere abgeschottet leben, sie interessieren sich nur für die Auszeichnungen, nicht für die Angelegenheiten der Kompanie, nicht für das Schicksal der Soldaten.
    Chef der 7. Abteilung der Politabteilung der 66. Armee Major Koltynin
Instrukteur der 7. Abteilung der Politabteilung der 66. Armee
Major Lerenman
    Protokoll
des politischen Verhörs des Kriegsgefangenen Karl-Heinz Pütz, Unteroffizier des 64. Regiments, am 10. Januar von Einheiten der 343. Schützendivision gefangengenommen.
11. Januar 1943
    Das Verhör führte Hauptmann Sajontschkowski, Oberinstrukteur der 7. Abteilung der Politabteilung der 66. Armee.

    Geboren am 15. 5. 1924 in Köln. Heimatadresse: Köln-Nippes, Escherstraße 21. Vater Elektrotechniker. Absolvierte die Volksschule und das Gymnasium. Deutscher. Katholik.
    Er trat im September 1941 in die Armee ein und wurde in das Reserve-Krad-Bataillon aufgenommen, das in Iserlohn lag. Er arbeitete als Waffenmeister im Bataillon. An der russischen Front traf er im September 1942 ein und wurde dem 64. Regiment der 16. Panzerdivision

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