Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Scheitel bis zur Sohle ein Aristokrat. »Ihr werdet es nicht bereuen, Lord Falconer. Bitte erlaubt uns einen Moment, unsere ungewöhnlichen Umstände zu erklären.«
»Bitte. Ich höre.«
»Jean Macrae und ich sind durch die Zeit gekommen, um die Abolitionsbewegung zu unterstützen«, sagte Nikolai rundheraus. »Jean will nichts über ihr eigenes Leben oder die Tode von Familienmitgliedern und Freunden wissen. Sie ist davon überzeugt, was das angeht, würdet Ihr ihre Wünsche respektieren.«
»Jean?« Falconers Blick glitt zu der schwarz gekleideten Gestalt an Nikolais Arm. Er saß völlig reglos da und starrte sie nur an.
»Ich bin's wirklich, Simon.« Sie schlug den schwarzen Schleier zurück, um ihm ihr Gesicht zu zeigen. Jean sah blass und angespannt aus. »Wie Nikolai schon sagte, will ich nichts über persönliche Tragödien hören - ich ziehe es vor zu glauben, dass meine Familie und Freunde am Leben und wohlauf sind, auch wenn ich mich ihnen nicht zu erkennen geben kann. Und ich möchte auch nicht hören, dass ich tot bin!«
»Die meisten sind in der Tat wohlauf, aber mehr werde ich dazu nicht sagen. Ihr seid also durch die Zeit hierhergekommen?« Er betrachtete sie versonnen. Falls er schockiert war, verbarg er das sehr gut. »Es muss die Wahrheit sein, da du kaum älter aussiehst als ein Schulmädchen. Erzähl mir alles, angefangen bei der Identität deines Begleiters.« Seine Augen verengten sich, als er Nikolai prüfend musterte. »Ein Wächter ist er nicht, aber er ist auf jeden Fall ein Magier.«
»Das ist richtig.« Jean nahm ihre Haube und den Schleier ab. »Sein Name ist Nikolai Gregorio, und er hat einen äußerst interessanten Hintergrund.«
»Dann werden wir Erfrischungen brauchen, wenn es eine längere Geschichte wird.« Der Earl erteilte einem Diener Anweisungen, und sie ließen sich auf Sesseln um das Feuer nieder. Jean erzählte den größten Teil der Geschichte. Nikolai dachte, dass eine erfreuliche Symmetrie darin lag, dass sie die Hilfe eines schwarzen afrikanischen Handwerkers und die eines blassen englischen Aristokraten suchten. Falconer war genau so, wie Jean gesagt hatte - interessiert, intelligent und von einer Aura großer Macht umgeben.
Jean beendete ihre Erzählung mit den Worten: »Jagen wir Regenbögen, Simon? Adia, unsere afrikanische Priesterin, sagt, dass in etwa zwanzig Jahren eine ernsthafte Abolitionsbewegung gegründet wird. Hat sie eine Chance auf Erfolg?«
Eine Falte bildete sich zwischen Falconers Brauen. »Wir haben mit der Sklaverei gelebt, seit der erste Stammeskrieger einen anderen besiegte und zur Arbeit zwang. Aber die Gesellschaft verändert sich. Es gibt schon heute Leute, die Sklaverei für Unrecht halten, und mit der Zeit werden sich noch mehr dieser Meinung anschließen. Es ist also durchaus möglich, dass die Grundlage für eine breite Bewegung jetzt gelegt wird.« Er runzelte die Stirn. »Obwohl ich die Sklaverei nicht billige, muss ich gestehen, dass ich meine Investitionen nicht unter dem Gesichtspunkt geprüft habe, ob sie den Sklavenhandel unterstützen. Das muss ich nachholen.«
Jean hatte erwähnt, dass Falconer eines der fortschrittlichsten Mitglieder des Oberhauses war, weshalb die Tatsache, dass er sich kaum Gedanken über Sklaverei gemacht hatte, sehr bedeutsam war. Wären doch alle Leute so bereit, über dieses Thema nachzudenken, wenn es zur Sprache gebracht wurde! »Die Gesellschaft hat viele Probleme, die angegangen werden müssen«, sagte Nikolai. »Kann die Abolition mit Themen konkurrieren, die näherliegen?«
»Irgendwann bestimmt. Es werden schon Maschinen erfunden, die die Notwendigkeit der Sklavenarbeit reduzieren werden. Aber ob das noch zu unseren Lebzeiten geschehen wird?« Falconer schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht sagen.«
»Es gibt eigentlich nur zwei Schritte«, erwiderte Jean. »Zuerst müssen wir den Sklavenhandel beenden, damit keine Menschen mehr verschleppt und übers Meer verschifft werden. Und dann müssen die bereits versklavten Menschen freigelassen werden.«
Der Earl nickte. »Den Handel zu beenden, ist ein guter Anfang und leichter zu erreichen als die Befreiung, aber ihr werdet es mit einer mächtigen Opposition zu tun bekommen. Die Lobby der westindischen Pflanzer ist ungeheuer reich, und sie haben überall auf der Welt Beziehungen zu den herrschenden Klassen. Eine der größten Plantagen auf Jamaika ist Eigentum der englischen Kirche.«
Nikolai presste die Lippen zusammen. »Kein sehr
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