Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Da sie schon immer gespürt hatte, dass sie keinen Wächter heiraten würde, hatte sie sich mit ihrer Jugendliebe Robby Mackenzie verlobt und war ihm sogar in den Krieg gefolgt.
Ach, er war so ein hübscher Junge gewesen und der einzige Mann, den sie je geliebt hatte! Aber er war ein Irdischer gewesen, und sie hatte ihm von den Wächtern nie erzählt, weil sie überzeugt gewesen war, dass ihre eigene Macht nicht groß genug war, um sich in irgendeiner Form auf ihre Ehe auszuwirken. Doch dann war er in Culloden gefallen, und trotz der unermüdlichen Bemühungen ihrer Familie und Freunde war Jean bislang noch niemandem begegnet, der Robbie hätte ersetzen können.
Egal. Sie war eine gute Lehrerin, eine hervorragende Schützin und zu sehr eine Macrae, um sich nicht für das Wetter zu interessieren. Zu ihrer großen Genugtuung hatte sie auf dieser Reise gemerkt, dass auch sie etwas von der Familienmagie besaß. Sie konnte in den Himmel greifen, um ferne Winde und Stürme aufzuspüren, und es war ihr sogar schon gelungen, Wettermuster ein wenig zu beeinflussen. Es war also nicht nur Glück, was der Mercury eine so ruhige Fahrt gesichert hatte.
Jean schloss die Augen und nahm den Südwind in sich auf, um sich die trockenen, geheimnisvollen afrikanischen Wüsten vorzustellen, aus denen der Wind kam. Fremdartige Orte mit fremdartigen Namen ...
Sie hätte wirklich schon früher mit dem Reisen beginnen sollen.
4. Kapitel
Adia
Westafrika, 1752
A
dia richtete sich vom Hacken der Jamswurzeln auf und rieb sich ihr schmerzendes Kreuz. Ihre Familie baute die besten Süßkartoffeln im Dorf an, aber das erforderte auch sehr viel Arbeit. »Ich werde froh sein, wenn Abejes Einweihung beendet ist und sie wieder hier ist, um ihren Teil der Schufterei zu tun!«
Ihre Mutter lachte. »Du wirst sogar noch froher sein, wenn deine eigene Einweihung - oder Initiation, wie das Ritual auch genannt wird - bevorsteht, meine Kleine, aber darauf wirst du noch ein paar Jährchen warten müssen.« Sie erhob den Blick zur Sonne. »Warum spielst du nicht mit Chike, während ich das Baby stille?«
Adias Müdigkeit löste sich sogleich in nichts auf. Während ihre Mutter das Baby zum Rand des Feldes trug, begannen Adia und Chike zwischen den Jamspflanzen Fangen zu spielen und rannten aus purer Freude am Laufen wie die Wilden übers Feld. Manchmal ließ Adia sich von ihrem kleinen Bruder fangen, obwohl er erst vier war und noch sehr kurze Beinchen hatte.
In späteren Jahren würde sich Adia fragen, ob es ihr ausgelassenes Geschrei gewesen war, was die Sklavenhändler zu ihnen geführt hatte, aber das war eher unwahrscheinlich. Sklavenhändler verstanden sich auch so sehr gut darauf, Opfer zu entdecken.
Die erste Warnung kam, als Adia aufschaute und eine Gruppe großer, bedrohlich wirkender Männer sah, die lautlos und mit wurfbereiten Speeren in den Händen aus dem Wald hervortraten. Sie waren keine Iske wie sie selbst, sondern von einem anderen, ihr unbekannten Stamm. Während Adia sie noch erschrocken anstarrte, schrie ihre Mutter: »Lauf, Adia! Und nimm deinen Bruder mit!«
Dann gestikulierte ihre Mutter wild mit beiden Händen, um eine Welle von Magie über das Feld zu senden, die eine dichte, in den Augen brennende Staubwolke zwischen Adia und Chike und den Fremden aufsteigen ließ. Als das erledigt war, hob sie das Baby auf und rannte in den Wald hinein, weil sie nicht mehr für ihre Kinder tun konnte.
Menschenhändler! Adia hörte ihr Fluchen und Husten in dem dichten Rauch. Ihre Mutter hatte ihren Kindern immerhin ein bisschen Zeit verschafft. Adia rannte zu ihrem Bruder und packte ihn an der Hand. »Komm!«, keuchte sie. »Sonst stehlen uns die bösen Männer!«
Unterstützt von Adias unnachgiebig ziehender Hand, rannte Chike, so schnell ihn seine kurzen Beinchen trugen. Wenn ich doch nur schon eingeweiht wäre!, dachte Adia. Sie entstammte einer Familie von Priestern und Priesterinnen, und eines Tages würde auch sie genügend Macht besitzen, um böse Männer zu bekämpfen. Im Augenblick jedoch hatte sie nichts als ihre Schnelligkeit und Ausdauer.
Und die genügten nicht. Mit einem freudigen Aufschrei stürmten die Sklavenhändler aus der Rauchwolke heraus und packten Adia und Chike, bevor sie in den Wald entkommen konnten. Brutale Hände stießen Adia zu Boden und fesselten ihr die Hände hinter ihrem Rücken. Das Gleiche geschah mit Chike, der verzweifelt schrie und weinte.
Einer der Sklavenhändler sagte: »Diese Gören
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