Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
lang bei den Salzkarawanen, deshalb verstehe ich etwas von Kamelen, aber Pferde gibt es natürlich keine auf See.«
»Deine Erfahrung mit Kamelen wird uns hier nichts nützen, fürchte ich.« Jean raffte ihre Röcke und kletterte auf den Wagen. Ein großer Deckelkorb stand hinter dem Fahrersitz. Sie öffnete ihn interessiert. »Die Vorfahren sorgen sogar für unser leibliches Wohl«, scherzte sie. »Kannst du mir verraten, in welche Richtung wir fahren sollen?«
Nikolai schloss erneut die Augen. »Nach rechts«, antwortete er dann und schwang sich zu ihr auf den Wagen. »Zum Glück stehen die Chancen gleich, egal, was ich auch sage.«
Jean lächelte, als sie ihre Tasche unter dem Sitz verstaute und dann mit den Zügeln klatschte, um das Pony in Bewegung zu setzen. Nur widerstrebend hörte es auf zu grasen und begann, über die Straße zu trotten. »Dann wollen wir hoffen, dass unsere Mission sich uns von selbst offenbart.«
Ungestört fuhren sie die Straße entlang; sie sahen ein paar grasende Kühe auf den Feldern, aber keine Menschen. Nach etwa zehn Minuten überquerten sie eine lange Hügelkuppe und fuhren auf der anderen Seite hinunter. Auf halber Höhe entdeckten sie zu ihrer Linken einen Mann, der unter einem Baum saß, die Zügel seines Pferdes in der Hand hielt und mit finsterer Miene in die Ferne starrte.
»Glaubst du, er könnte unsere Mission sein?«, fragte Nikolai Jean leise. »Jonathan Strong war der erste Mensch, den wir nach unserem letzten Zeitsprung sahen.«
Jean stockte der Atem, als sie das rote Haar und die hochgewachsene, schlaksige Gestalt des Mannes bemerkte. In Erinnerung an Adias Notizen sagte sie: »Ich glaube, das könnte Thomas Clarkson sein! Adia meinte, er könne der allerwichtigste Abolitionist sein. Er hat in Cambridge einen Preis für eine lateinische Abhandlung über die ethischen Gesichtspunkte der Sklaverei gewonnen. Das ist eine große Ehre - für den Rest seines Lebens werden die Leute sagen, dass er den Cambridge-Wettbewerb für lateinische Abhandlungen gewonnen hat. Nachdem er jedoch den Preis erhalten hatte, konnte er nicht aufhören, über das Thema nachzudenken. Es heißt, dass er sich auf seinem Ritt von Cambridge nach London dazu verpflichtet hat, für die Abschaffung der Sklaverei zu arbeiten. Vielleicht überlegt er gerade, was er tun soll. Wenn ja, sind wir ...«, sie überlegte einen Moment, »im Jahre 1785, glaube ich.«
»Zwanzig Jahre weiter in der Zukunft? Dann nähern wir uns der Zeit, in der die Bewegung zu wachsen beginnt«, sagte Nikolai nachdenklich. »Vielleicht hat die Magie uns hierher gebracht, weil dieser Mann ein bisschen Überredung braucht. Halt den Wagen bei ihm an.«
Als Jean das Pony zum Stehen brachte, rief Nikolai dem jungen Mann zu: »Sir, lahmt Ihr Pferd vielleicht? Falls Sie Hilfe brauchen ...«
Der Mann hob überrascht den Kopf. »Nein, aber ich danke Ihnen für Ihre Freundlichkeit, Sir. Meinem Pferd geht es gut. Ich bin es, der Probleme hat.«
Nikolai stieg vom Wagen. »Würde es Ihnen helfen, sich Fremden anzuvertrauen? Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Probleme zu besprechen manchmal hilft, zu einer Lösung zu gelangen.«
»Und etwas zu essen ist oft auch hilfreich«, fügte Jean hinzu. »Wir suchten gerade nach einem Platz, um dem Pony eine Rast zu gönnen, während wir essen. Wir haben genug für alle, wenn Sie uns Gesellschaft leisten wollen.«
Der junge Mann rappelte sich auf und strahlte, als er sich vor Jean verbeugte. Sie hatte schon früh gelernt, dass alle jungen Männer ständig hungrig waren und sich über jedes Essen freuten.
»Vielen Dank, Madam, das ist sehr freundlich von Ihnen.« Clarkson verbeugte sich erneut. Er war von beeindruckender Größe und trug die schwarze Kleidung eines Klerikers. »Mein Name ist Thomas Clarkson. Ich war bisher an der Cambridge University und bin jetzt auf dem Weg nach London.«
»Ich bin Nicholas Gregory, und das ist Jean, meine Frau.« Nikolai hob den schweren Korb aus dem Wagen und stellte ihn unter einen Baum. Er stieß einen anerkennenden Pfiff aus, als er den Deckel anhob. »Du hast dich selbst übertroffen, meine Liebe«, sagte er zu Jean. »Wir und Mr. Clarkson werden geradezu fürstlich speisen.« Er holte eine Reisedecke aus dem Wagen und breitete sie auf dem Boden aus, um Grasflecken an ihrer Kleidung zu vermeiden.
Jean machte große Augen, als sie von dem Wagen herunterstieg. »Sind Sie der junge Diakon Clarkson, der in Cambridge den Preis für lateinische
Weitere Kostenlose Bücher