Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Gesicht. »Geht voran, Mylord.«
Als sie das hoch aufragende Gebäude betraten, sagte Buckland: »Dies ist der zweite Tag der Debatte, und die Abstimmung müsste gegen Ende der Sitzung stattfinden. Ihr werdet einige der absurdesten Argumente von den Befürwortern der Sklaverei hören. Ein Mitglied behauptete, durch die Abschaffung der Sklaverei würden unsere kanadischen Fischereien vernichtet, weil es die amerikanischen Sklaven sind, die mit dem schlechtesten Fisch ernährt werden.«
»Was?«, fragte Nikolai ungläubig.
»Erwarte nicht, dass das einen Sinn ergibt.« Buckland führte sie durch den Palast und zu der Galerie hinauf, wo er vor einer glatten Wand haltmachte. Mit einer Handbewegung, die die Luft vor Magie vibrieren ließ, bewirkte er, dass eine Tür erschien. Als er Jean und Nikolai hindurchschob, bemerkte er: »Ich habe diesen Raum gestern unsichtbar gemacht, für den Fall, dass er heute gebraucht würde. Was eigentlich sehr merkwürdig von mir war, wenn ich jetzt darüber nachdenke. Das Sicherheitsnetz muss mich irgendwie dazu getrieben haben.«
»Wann immer die Vorfahren involviert sind, geschehen merkwürdige Dinge«, sagte Nikolai.
Der kleine Raum war wie eine Theaterloge neben der langen, öffentlichen Galerie auf der einen Seite des Saals, in dem das Unterhaus tagte. Die beidseitigen Galerien waren völlig überfüllt, aber Jeans und Nikolais kleine Loge verfügte über ein halbes Dutzend freier Stühle und einen guten Ausblick in den Saal hinunter. Wegen der magischen Abschirmung, die Buckland vorgenommen hatte, schien niemand sie zu bemerken.
»Ich muss gehen - ich bin selbst ein Abgeordneter.« Buckland zog eine Hand voll Papiere aus seiner Aktentasche. »Falls ihr euch langweilt, könnt ihr euch damit die Zeit vertreiben. Es ist eine Zusammenfassung von Berichten über Sklaverei, die fast zweitausend Seiten Anhörungsprotokolle umfassten. Wir wollten ein Dokument erstellen, das kurz genug war, um selbst den trägsten Abgeordneten zum Lesen zu bewegen. Ich sehe euch dann später. Viel Glück. Vielleicht könnt ihr das Blatt noch wenden.«
Er ging, als die Sitzung unten gerade für eröffnet erklärt wurde.
Jean bemerkte leise: »Simon muss noch am Leben sein, sonst würde Buckland im Haus der Lords statt hier im Unterhaus sitzen. Ich bin froh, das zu wissen.«
Das war Nikolai auch. Selbst mit über siebzig war Falconer ein formidabler Magier gewesen, und sie würden seine Macht vielleicht noch brauchen, bevor der Tag zu Ende war.
Wie Buckland angekündigt hatte, waren die Reden interessant. Als Wilberforce sprach, sagte er mit seiner ruhigen, angenehmen Stimme, dass die Beendigung des Sklavenhandels den westindischen Plantagen nur zugutekommen würde, da Sklaven rücksichtsvoller behandelt würden, was die Produktivität erhöhen würde. Ein energischer Mann in Dragoneruniform sprang auf und schwenkte eine Hand mit drei Fingern, während er behauptete, dass nicht einmal die Afrikaner Einwände gegen den Sklavenhandel hätten.
Als der nächste Sprecher sich erhob, umklammerte Jean Nikolais Arm. »Das ist Captain Trent aus Liverpool!«
Und natürlich war Trent hier, um mehrere Pfund fetter und und schmieriger denn je. Mit dröhnender Stimme erklärte er: »Ihr habt alle von dem Sklavenaufstand auf Dominica gehört, einer der schönsten unserer westindischen Zuckerinseln. Dieser Aufstand, meine Herren, ist eine direkte Folge der Abolitionsbewegung! Unpatriotische Narren haben die Leidenschaften der heidnischen Afrikaner geweckt, und nun sind der Reichtum und das Wohlergehen von Britannien selbst bedroht!«
Während Trents Tirade spürte Nikolai, wie sich die Pro-Sklaverei-Energie intensivierte. Und er verspürte auch eine vertraute dunkle Energie. »Kondo, Trents Priester, ist ganz in der Nähe und aktiv«, sagte er mit angespannter Stimme. »Ich werde sehen, ob ich ihn finden kann.«
»Sei vorsichtig«, bat Jean. »Er arbeitet bestimmt daran, die Energie des Dämons zu erhöhen.«
Also hatte sie es auch gespürt. Nikolai berührte ihre Schulter. »Mir geschieht schon nichts.«
Er verließ ihre private Loge und blieb draußen stehen, wo er seine Aufspürfähigkeiten darauf konzentrierte, Kondo ausfindig zu machen. In Wilberforces Haus hatte er die Energie des Priesters sehr deutlich gespürt. Jetzt musste er diese Energie nur noch inmitten von Hunderten anderer Menschen in dem Palast erkennen. Kondos war jedoch so unverwechselbar, dass es nicht viel Zeit in Anspruch nahm, ihn
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