Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
mit meinen Tränken und Salben, aber das genügt mir.«
Die anderen nickten. »Wir sind nicht wirklich Wächter, Jean«, sagte Breeda. »Ich hoffe, Lord und Lady Falconer werden nicht allzu enttäuscht sein, wenn sie hören, dass wir unsere Studien nicht fortgesetzt haben.«
Jean lächelte reuevoll. »Ich bin auch kein großer Wächter und kann euch daher keinen Vorwurf machen. Mitunter denke ich, dass Magie mehr Unannehmlichkeiten bringt, als sie es wert ist.« Obwohl sie natürlich auch sehr nützlich sein konnte, wenn man in Schwierigkeiten war.
Das Gespräch schweifte zu anderen Themen ab, bis Breeda sich erhob und ein Gähnen unterdrückte. »Ich bin bereit fürs Bett. Morgen werden wir dir die Stadt zeigen, Jean. Gibt es irgendwas Besonderes, was du gern sehen möchtest? Die Kirche von Notre Dame de la Garde ist wundervoll, und von ihr hat man einen herrlichen Ausblick auf die Stadt.«
»Oh ja, ich würde gern die Kirche und auch alles andere sehen, was du für sehenswert hältst.« Jean überlegte kurz, bevor sie hinzusetzte: »Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich außerdem gern Geschenke für meine Familie und Freunde kaufen. Das ist allerdings nichts Dringendes, da ich ja monatelang hier sein werde.«
Lily lachte. »Breeda und ich werden dir beim Geldausgeben mit Freuden behilflich sein. Eins der besten Geschäfte in der Stadt ist übrigens das Kaufhaus Fontaine. Obwohl das Familienunternehmen sich in erster Linie mit Import befasst, kam Moses vor einigen Jahren auf die Idee, ein Kaufhaus zu eröffnen, um so direkt an den Endverbraucher zu verkaufen. Es ist ein großer Erfolg geworden.«
»Und ich werde dir gute Preise machen«, versprach Moses.
»Oh nein, ich bezahle den üblichen Preis«, sagte Jean entschieden. »Ich profitiere schon genug von deiner Großzügigkeit.«
»Wir werden sehen«, meinte Lily schmunzelnd, als sie aufstand und allen eine gute Nacht wünschte. Breeda und Jemmy folgten ihr Hand in Hand hinaus.
Jean, die noch zu aufgeregt war, um sich zur Ruhe zu begeben, trat mit ihrem Sherry auf den Balkon hinaus. Moses gesellte sich zu ihr. »Wirst du jemanden brauchen, Jean, der dich zu deinen Zimmern führt?«
»Schon möglich«, erwiderte sie lachend. »Die Maison Fontaine ist ja fast so etwas wie ein Labyrinth.«
»Dann werde ich dich begleiten, wenn du so weit bist.« Seine weißen Zähne blitzen hell vor seiner dunklen Haut, als er lächelte. »Und dir eine Rolle Bindfaden mitgeben, damit du in Zukunft deinen Weg markieren kannst.«
»Da nehme ich dich vielleicht beim Wort«, sagte Jean, während sie auf die Lichter der Stadt und die dunkle See dahinter hinausblickte. »Es ist wunderschön hier, aber vermisst du Afrika nicht?«
Moses stützte sich auf die Balustrade. »Manchmal. Ich war noch ein Kind, als wir Sansibar verließen, doch zwei Mal habe ich meinen Vater zu ausgedehnten Aufenthalten dorthin begleitet. Obwohl er den Familiennamen Fontaine angenommen hat und wie ein französischer Gentleman lebt, will er nicht, dass wir unsere Wurzeln vergessen.«
»Das wirst du nicht. Aber deine Kinder schon, wenn sie hier in Marseille geboren werden.«
Er seufzte. »Das weiß ich. Und sie werden Halbeuropäer sein und sogar noch mehr zwischen zwei Welten stehen als ich selbst.«
»In gewisser Weise sind wir alle Außenseiter. Wer magische Kräfte hat, unterscheidet sich von jenen ohne Macht.« Jean leerte ihr Sherryglas in einem Zug. »Wächter mit geringer Macht sind wieder anders als Magier mit sehr großer Macht. Und auch Männer und Frauen scheinen die meiste Zeit völlig unterschiedliche Spezies zu sein.«
Moses lachte. »Da hast du recht. Und mein wahres Zuhause ist ohnehin bei Lily, Jemmy und Breeda. Wir alle sind Außenseiter, doch zusammen ergeben wir ein Ganzes.«
»Es ist wie ein Wunder, dass die Blume der Liebe und Freundschaft aus der Verzweiflung eurer Erfahrungen erwachsen ist«, bemerkte Jean. Wäre sie selbst bereit, die Versklavung ihres eigenen Ichs und Willens zu erdulden, wenn die Belohnung eine solch tiefe, dauerhafte Liebe wäre wie die, die ihre Freunde verband? Wahrscheinlich nicht - der Gedanke, ihre Seele an einen solch üblen Zauberer wie Drayton zu verlieren, war zu furchtbar.
»Die anderen haben die Magie hintangestellt, wie sie schon sagten«, meinte Moses zögernd. »Auf mich trifft das allerdings nicht ganz zu.«
Jean war nicht überrascht von seinem Eingeständnis. »Du schienst auch immer am meisten an dem Thema interessiert zu sein. Was
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