Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Fantasie.
Schließlich kam der große Festtag heran. Die Hochzeiten waren traumhaft schön. Breeda hatte lachend auf einer getrennten Zeremonie bestanden und gesagt, sie wolle an ihrem schönsten Tag im Leben nicht von Lily in den Schatten gestellt werden. Sie hätte sich jedoch keine Sorgen machen müssen - sie war wunderschön mit ihrem leuchtend roten Haar unter dem weißen Spitzenschleier, und Jemmy sah sie an, als wäre sie die einzige Frau auf der Welt. Ein sanft schimmerndes Licht umgab sie, das ihre Liebe klar erkennbar machte für die, die die Macht besaßen, es zu sehen.
Am Nachmittag wurden Lily und Moses in einer gleichermaßen bewegenden Zeremonie getraut. Jean weinte genauso ungeniert wie schon am Morgen. Während sie ihre Augen abtupfte, kam ihr der ketzerische Gedanke, dass die beiden Paare dem schrecklichen Lord Drayton etwas schuldig waren. Mit der Gefangennahme dieser Menschen hatte er vier Fremde zusammengebracht und tiefe, dauerhafte Bande zwischen ihnen erzeugt. Diese Ehen waren mit Feuer geschmiedet worden.
Nach dem opulenten Hochzeitsmahl mit Moses' strahlenden Eltern brachen die Frischvermählten zu vierzehntägigen Flitterwochen auf einem Landsitz der Familie auf. Dort würde jedes Paar in aller Ungestörtheit seine neue Beziehung erforschen können, ohne auf die Gesellschaft der liebsten Freunde verzichten zu müssen.
Im Hause Fontaine war es sehr still am nächsten Tag, als sich alle von den Festlichkeiten erholten, aber am Montag erwachte Jean voller Energie und Tatendrang. Während sie noch im Bett ihre heiße Schokolade trank, kam die schon vollständig bekleidete Annie in das Zimmer. »Ich freue mich auf einen weiteren ruhigen Tag, Miss Jean.«
»Ein ruhiger Tag war genug. Es wird Zeit, dass ich das Kaufhaus der Fontaines besuche. Ich bin noch nicht zum Einkaufen gekommen, und es gibt Dutzende von Leuten, denen ich gern etwas mitbringen würde.« Von der Aussicht angeregt, trank Jean ihre heiße Schokolade aus. »Wirst du mich begleiten, Annie?«
»Nicht heute, Miss. Ich muss Kleider ausbessern und Briefe nach Hause schreiben.« Annie trat vor den Schrank, der Jeans Garderobe enthielt, und begann, nach schadhaften Kleidungsstücken zu suchen. »Ich gehe ein andermal mit, wenn Ihr mir sagt, dass es dort hübsche Dinge gibt, die ich mir leisten kann.«
»Na gut.« Jean stand auf und rettete ihr grün bedrucktes Kleid aus Annies zunehmender Sammlung. »Dieses hier kann warten. Das zerrissene Schleifchen sieht man nicht.«
Annie rümpfte die Nase, erhob aber keine Einwände, und kurz darauf befand sich Jean mit Moses' Vater auf dem Weg zum Hafen. Monsieur Fontaine mit seiner hochgewachsenen, kräftigen Gestalt wirkte wie die grauhaarige Ausgabe seines Sohnes. Als Jean in den vergangenen Wochen in ein paar freien Momenten mit Moses über afrikanische Magie gesprochen hatte, hatte sie erfahren, dass sein Vater und auch seine Mutter eine gewisse Macht besaßen. Dank dieser doppelten Erbanlage hatte Moses beide Eltern mit seinen Fähigkeiten überholt.
Als Monsieur Fontaine Jean aus der Kutsche half, sagte er: »Ihr werdet heute einen ruhigen Morgen haben, Miss Jean. An den meisten Tagen ist das Kaufhaus für jedermann geöffnet, aber montags lassen wir nur Händler und besondere Kunden herein.« Sein afrikanischer Akzent war stark, doch sein Französisch fließend, und er sprach auch etwas Englisch. Während er Jean in das Gebäude führte, setzte er hinzu: »Und Ihr seid natürlich eine ganz besondere Kundin.«
Der Ausstellungsraum war ein Teil des lang gestreckten Fontaine'schen Lagerhauses, das einen ganzen Block an der Marseiller Hafenkante einnahm. Die Laderampen des Lagerhauses befanden sich auf der Hafenseite, während an der hinter dem Gebäude verlaufenden Straße ein bescheidener, aber ansprechender Eingangsbereich des Kaufhauses geschaffen worden war. Zitronenbäumchen in Keramiktöpfen flankierten die Tür, und auf einer kleinen Kupferplatte daran stand einfach nur Fontaine. Lily hatte gesagt, an belebten Tagen sei die Straße verstopft von den Kutschen der Kunden, die auf der Suche nach seltenen und besonderen Waren waren.
Im Inneren des Gebäudes sah Jean sich mit Interesse um. Der große Raum war in viele Abschnitte aufgeteilt, die jeweils eine Art von Ware enthielten. An einem öffentlichen Einkaufstag bediente und bewachte jeweils ein Verkäufer diese Abschnitte, doch heute war das Kaufhaus beinahe leer. »Die an der Decke angebrachten Fenster erhellen den Raum
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