Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Sie ist doch hoffentlich nicht krank?«
»Ganz und gar nicht.« Moses' weiße Zähne blitzten in der Dunkelheit. »Aber sie wollte das Baby nicht allein lassen. Wenn du nicht verschwunden wärst, wärst du jetzt die Patin unseres Sohnes. Deine Zofe Annie weigerte sich, Marseille zu verlassen, solange du vermisst wurdest. Sie wäre jetzt auch hier, doch sie hat einen Franzosen geheiratet und erwartet ein Kind, sodass eine Seereise sehr ungünstig für sie gewesen wäre.«
Da Nikolai zu ihnen getreten war, sagte Jean: »Ich möchte euch meinen Ehemann vorstellen, aber zuerst ... Moses, dein Lehrer Sekou hat dir doch von afrikanischer Zeitmagie erzählt. Besitzt du auch etwas von diesem besonderen Talent?«
Überrascht erwiderte er: »Ein bisschen, und Sekou hat darauf bestanden, dass ich es so gut wie möglich anzuwenden lernte, obwohl ich natürlich nie einer der großen Zeitschamanen sein werde. Aber warum fragst du, Jean?«
»Weil diese Fähigkeit gebraucht wird, um eine Freundin heimzuschicken. Es gibt einige Magier hier auf der Insel, doch keiner von uns versteht etwas von Zeitmagie. Glaubst du, du könntest ein Zeitreise-Ritual vollziehen, wenn wir dich mit genügend herkömmlicher Magie versorgen würden?«
Moses zog scharf die Luft ein. »Ich ... das weiß ich nicht. Vielleicht. Ich kann nichts garantieren, da ich das Ritual nie selbst geleitet habe.« Nach langem Schweigen meinte er: »Aber vielleicht war Sekou so beharrlich, weil er wusste, dass ich eines Tages Zeitmagie benötigen würde.«
»Die Ausbildung, die du erhalten hast, könnte Teil eines großen Plans der Vorfahren sein, weil du auch ohne Garantien Adias einzige Hoffnung bist.« Jean nahm seinen Arm und führte ihn zu ihrer afrikanischen Freundin. »Wir müssen miteinander reden.«
Es war hart, auch nur drei Tage abzuwarten, aber Adia zwang sich dazu. Sie hatte Freunde auf Santola gefunden, und wenn sie ging, würde es für immer sein. Louise und ihre Kinder zu verlassen, war mehr als schmerzlich - Louise war für Adia wie die Schwester, die sie in Afrika zurückgelassen hatte, und ihre Kinder waren wie ihre Nichten und Neffen.
Tano Lebewohl zu sagen, war auf eine andere Weise hart. Als sie ihn besuchte, um sich zu verabschieden, neigte er den Kopf und wünschte ihr mit ruhigen, traurigen Augen alles Gute.
Er würde eine andere Frau finden, das wusste Adia, aber er würde sie niemals vergessen - genauso wenig, wie sie ihn vergessen würde. Ein Herz hatte Platz für viele Arten von Liebe.
Jean Macrae hatte versprochen, sich um Bruiser zu kümmern. Der flatterhafte Kater hatte die Schottin ohnehin bereits ins Herz geschlossen.
Von Moses angeleitet, hatten Adia und die anderen afrikanischen Priester eine Perle hergestellt, die Fäden aus dem Kleid enthielt, das sie auf ihrer Reise durch die Zeit getragen hatte. Sie hatten die Perle mit so viel Zeitmagie versehen, wie Moses aufbringen konnte.
Außer der Perle hatte Adia den Wegfinderstein, den sie und die weise Frau vor so vielen Jahren in Amerika geschaffen hatten. Adia hatte ihn seither immer bei sich getragen. Einige der mit Blut gefärbten Muster waren arg verblasst, aber das spielte keine Rolle. Die Energie des Steins bildete eine starke Verbindung zwischen Daniel und ihr.
Als das Ritual vollzogen wurde, nahmen alle Männer, Frauen und Kinder der Insel, die über Macht verfügten, daran teil. Während Moses die vier Winde rief, beschwor Adia das Feuer und betete mit jedem Funken ihrer Macht darum, dass das Ritual wie geplant vonstattengehen möge. Und tatsächlich formierte sich der schon vertraute Strudel, und Santola begann sich um sie aufzulösen. Mit ihrem letzten Atem dankte Adia allen, die mithalfen, sie heimzuschicken.
Ihre zweite Reise durch die Zeit schien nicht enden zu wollen. Ihr Bewusstsein zersplitterte in Schmerz und Schrecken, als sie endlos stürzte und beinahe erstickte an der Furcht, für immer in dem Chaos gefangen zu bleiben. Die mit Zeitmagie versehene Perle schwelte und schmolz schließlich, der Wegfinderstein jedoch wurde nur glühend heiß. Sie umklammerte ihn mit aller Kraft. Falls irgendetwas sie durch andere Welten zu ihrer großen Liebe führen konnte, sollte es dieser Stein sein, hoffte sie.
Dann fügten ihr Körper, ihr Bewusstsein und ihre Seele sich wieder zusammen, und Adia fand sich, desorientiert und schwindlig, in absoluter Dunkelheit wieder. Sie lag auf einer harten Oberfläche, das spürte sie. Adia entkrampfte ihre Finger, und der
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