Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
könnt Ihr gern versuchen«, erwiderte sie schulterzuckend. »Aber für Mitglieder der Aristokratie ist meine Familie nicht reich. Schottland ist ein armes Land, und was das Oberhaupt der Macraes besitzt, das steht auch seinen Leuten zur Verfügung.«
Gregorio trat noch näher, und seine magische Energie prallte gegen die ihre, als hätte er ihr einen körperlichen Stoß versetzt. »Vielleicht, doch alle zusammen verfügen die Wächter über großen Reichtum. Würden sie eine der ihren in grausiger Gefangenschaft ihr Dasein fristen lassen?«
Wieder zuckte Jean die Schultern. »Eine ledige Frau ohne nennenswerte magische Fähigkeiten hat keinen großen Wert für die Gemeinde. Meine eigene Familie denkt natürlich nicht so, aber sie können es sich nicht leisten, sich an den Bettelstab zu bringen, um mich heimzuholen. Ihr werdet kein ausreichend hohes Lösegeld für mich herausholen können, um Euren Ärger zu besänftigen.« Ihre Behauptung entsprach keineswegs der Wahrheit, denn die Wächter kümmerten sich um die Ihren, und als Gruppierung verfügten sie über enorme Mittel. »Aber das Wächterkonzil wird vielleicht Jäger schicken, um nach mir zu suchen, und das sind keine Leute, denen Ihr begegnen wollt, Gregorio, sofern Ihr nicht ein Dutzend mächtiger Magier an der Seite habt.«
»Ein Lösegeld für Euch zu fordern, war ohnehin nicht meine erste Wahl.« Er streckte die Hand aus und beschrieb mit einem Fingernagel einen Kreis um ihren Hals. »Euch in die Sklaverei zu verkaufen, erscheint mir viel gerechter.«
Sie erschauderte bei seiner Berührung, die sowohl eine Drohung als auch eine dunkle Verheißung beinhaltete. Dieser Gregorio war ein Mann, der sie vernichten konnte, körperlich und seelisch, ohne sich groß anzustrengen. Seine Berührung erleichterte es ihr jedoch, ihn zu durchschauen. »Ihr werdet niemanden in die Sklaverei verkaufen«, erklärte sie rundheraus. »Ihr hasst die Sklaverei so sehr, dass Ihr nicht einmal Euren ärgsten Feind dazu verdammen würdet.«
Gregorios Hand legte sich so fest um ihre Kehle, dass sie kaum noch Luft bekam. »Vielleicht habt Ihr recht«, murmelte er. »Vielleicht wäre es besser, Euch als meine Gefangene hier auf der Justice zu behalten, damit ich Euch benutzen kann, wann immer mir danach ist.«
Genau das hätte er jetzt gern getan; Jean konnte sein drängendes Verlangen und die wilde Rage spüren, die Rache forderte für das, was er erlitten hatte. Aber er hielt sich offenbar auch viel darauf zugute, ein starker Mann zu sein, der solch rohen, hemmungslosen Regungen nicht nachgeben würde. »Ihr werdet mir auch nichts antun, glaube ich. Nicht heute«, sagte sie.
Sie spürte einen Anflug von Überraschung in ihm, obwohl sein Gesichtsausdruck sich nicht veränderte. »Wie naiv Ihr seid!«, spottete er. »Warum sollte ich Euch nicht gleich hier nehmen? Wenn ich Euch nicht gerade in Tanger verkaufe, wird Eure verlorene Unschuld Euren Wert nicht schmälern, und für mich wäre es eine große Genugtuung, die Tochter James Macraes zu entehren.«
Dieselbe geistige Verbindung, die ihr schon gezeigt hatte, was er von Sklaverei hielt, lieferte ihr noch mehr Information. »Ulindis wegen ist das Vergewaltigen wehrloser Frauen etwas, das Euch aus tiefster Seele widerstrebt.« Sowie sie den Namen aussprach, schossen ihr grauenhafte Bilder durch den Kopf. Eine schlanke junge Frau mit zimtfarbener Haut, die von einer Horde betrunkener Männer überfallen wurde. Die wiederholten, brutalen Übergriffe dieser Schurken, während sie verzweifelt schrie und kämpfte. Die Tritte und die Schläge, die dem Leben der Frau ein Ende setzten ...
Gregorio fuhr zurück wie vor einer Giftschlange. »Du verdammte Hexe!«, zischte er. »Du bist deines Vaters Tochter - voll gespielter Unschuld, die das Böse überdeckt. Fahr zur Hölle, Jean Macrae!« Er drehte sich auf dem Absatz um und stürmte aus ihrer Kabine.
Also war Jean eine Gefangene auf einem Schiff namens Justice, dessen Kapitän sie für die angeblichen Sünden ihres Vaters büßen lassen wollte. Am ganzen Körper zitternd, ließ sie sich auf ihre Koje fallen.
Möge Gott sich ihrer erbarmen.
9. Kapitel
N
ikolais Herz raste, als er die Kabinentür verschloss und sich von ihr entfernte. Dieses verdammte Frauenzimmer besaß die Fähigkeit, ihn vollkommen verrückt zu machen! Er hätte wissen müssen, dass eine Wächterin keine gewöhnliche junge Frau sein würde, ganz gleich, wie zart und wohlerzogen sie auch wirkte. Vielleicht
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