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Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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hätte er sie schon am Tag ihrer Gefangennahme mit der Wahrheit konfrontieren sollen, bevor sie Gelegenheit bekam, sich hinter ihrer beeindruckenden Selbstbeherrschung zu verschanzen. Und bevor sie Zeit hatte, in seinem Verstand und seinen Erinnerungen herumzukramen.
    Er stieg die Leiter zum Hauptdeck hinauf und hoffte, dass die steife Brise dort oben Klarheit in seine Gedanken bringen würde. Was sollte er mit ihr tun? Wie sie ganz richtig erkannt hatte, würde er sie bestimmt nicht in die Sklaverei verkaufen, auch wenn das die perfekte Rache wäre. Vielleicht hätte er James Macrae zu einem solchen Schicksal verdammen können, doch die Tochter hatte ihm nicht direkt etwas zuleide getan, auch wenn sie die Blutschuld ihrer Familie in seinen Augen mittrug.
    Wie viel wusste die schottische Hexe über Ulindi? Zu viel ganz offensichtlich, da sie erkannt hatte, dass er Ulindis wegen keine wehrlose Frau angreifen konnte.
    Fluchend hob er sein Fernrohr und suchte den Horizont ab. Sein Instinkt sagte ihm, dass sich irgendwo dort draußen ein Schiff befand, das reif zur Übernahme war, und Gott wusste, dass er es finden würde.

 
    Nachdem der Kapitän hinausgestürmt war, schlang Jean die Arme um sich und wiegte sich hin und her. Noch immer zitterte sie am ganzen Körper. Sie war in den Händen des gefährlichsten und unberechenbarsten Mannes, dem sie je begegnet war, und er hasste sie. Heute hatte er seine Aggressivität noch kontrollieren können, aber es gab keine Garantien für morgen. Seine Wut könnte jederzeit die Oberhand über seine Abneigung gegen Vergewaltigung gewinnen.
    Im Laufe der Zeit mochten die Wächter sie zwar finden, doch ihr blieb nicht sehr viel Zeit, und ihre Familie war Tausende Meilen weit entfernt. Wenn sie überleben und heimkehren wollte, musste sie das mit ihrer eigenen Geisteskraft und Findigkeit erreichen.
    Sie fuhr zusammen wie ein schreckhaftes Kaninchen, als ein Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde, doch diesmal war es nur der Mann, der ihr das Essen brachte, begleitet von dem bewaffneten Matrosen, der immer bei ihm war. Da Jean gestern leider nichts aus ihnen hatte herausbekommen können, bat sie die Männer heute um heißes Wasser, um sich zu waschen. Sie fragte auf Französisch und wiederholte die Bitte auf Englisch, aber wieder beachteten die Seemänner sie nicht. Wortlos zogen sie sich zurück und schlossen die Tür hinter sich ab.
    Als Jean gegessen hatte, ging die Tür jedoch wieder auf, und ein Seemann, den sie noch nie gesehen hatte, brachte ihr einen großen Eimer heißes Wasser. Auch er hatte natürlich eine Wache bei sich.
    »Merci«, sagte sie höflich, als sie dem einen Mann das Tablett mit ihrer leeren Holzschale und dem Löffel überreichte. Den Wein, den sie noch nicht ausgetrunken hatte, behielt sie und schenkte den Männern ihr schönstes Lächeln, das in einigen von Londons besten Ballsälen als überaus charmant bezeichnet worden war.
    Der Seemann, der ihr das Wasser gebracht hatte, senkte schüchtern den Blick, bevor er ging. Er war kaum mehr als ein Junge, wahrscheinlich nicht mal zwanzig. Auf jeden Fall jung genug, um von der bloßen Gegenwart einer Frau in Verlegenheit gebracht zu werden. Vielleicht konnte sie ihn als Verbündeten gewinnen.
    Unter den gegebenen Umständen widerstrebte es ihr, sich für eine gründliche Wäsche auszukleiden, aber mit der Ecke eines der Handtücher, die sie unter der Waschschüssel gefunden hatte, konnte sie sich ganz gut säubern. Dann wusch sie ihr Haar, um so viel wie möglich von dem Puder zu entfernen. Wenn sie sich schon dieser ungewissen Lage stellen musste, wollte sie wenigstens wie sie selbst aussehen.
    Wie eine verdammte rothaarige Schottin.

 
    Jean erwachte aus tiefem Schlaf, als ein durchdringender Knall das Schiff erschütterte und sie aus ihrer Koje warf. Fluchend rappelte sie sich auf. War das Schiff auf ein Riff oder einen Felsen aufgelaufen? Nein, denn jetzt hörte sie Schreie und eine weitere abgehackte Salve von Explosionen, die das Schiff erzittern ließen. Sie wurden mit Kanonen beschossen!
    Noch mehr Kanonenschüsse, diesmal schon ohrenbetäubend nahe, als die Justice das Feuer erwiderte. Jean packte das kalte Entsetzen. Falls das Schiff stark genug beschädigt war, um zu sinken, würde sie hier wie eine Ratte in der Falle sterben.
    Den Teufel würde sie tun! Jean schlüpfte in ihre leichten Schuhe und machte sich daran, das Türschloss mithilfe einer Haarnadel zu öffnen, wozu sie ein kleines magisches

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