Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
und sich um die Kompromisse sorgten, die das Leben mit sich brachte. Deshalb beschloss Adia, mit ihnen Mitgefühl zu haben. Aber nur ein bisschen.
Miss Sophies Hochzeit verschlang wochenlang die Energie sämtlicher Haussklaven und insbesondere Adias. Sie würde die Braut natürlich zu ihrem neuen Heim in den Carolinas begleiten. Ihre Freunde und neue »Familie« auf Harris Hill verlassen zu müssen, war für Adia sehr schmerzlich, aber sie freute sich auch darauf, die amerikanischen Kolonien zu sehen. Den Gerüchten nach waren sie ganz anders als die westindischen Inseln.
Und das waren sie in der Tat. Es gab mehr Weiße dort und auch sonst mehr Menschen. Das frisch vermählte junge Paar übernahm die Familientradition der Watsons, den Winter in Charleston zu verbringen und sich dann zur Anbauzeit zu der riesigen Familienplantage Magnolia Manor zu begeben. Miss Sophie war glücklich in ihrer Ehe, und schon bald war sie auch guter Hoffnung.
Das Leben im Haushalt der Watsons war nicht so entspannt wie bei den Harris' auf Jamaika; als Zofe der jungen Herrin hatte Adia jedoch einen gewissen Status und ein eigenes kleines Zimmer auf den Dachböden der Häuser, die die Familie bewohnte. Ihre Stellung war eine recht bequeme, und ihr gefiel die Betriebsamkeit und Abwechslung von Charleston. Obwohl Miss Sophie eine Sklavin nie als Freundin bezeichnet hätte, verbrachte sie in den ersten Monaten doch sehr viel Zeit mit Adia, dem einzigen vertrauten Gesicht in ihrer neuen Umgebung.
Als die Familie auf die Plantage umzog, stellte Adia fest, dass Magnolia Manor nicht viel anders als Harris Hill war, die Arbeitsbedingungen waren jedoch nicht ganz so schlecht wie auf Jamaika. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse waren nicht so arbeitsaufwendig wie Zuckerrohr, und die Sklaven starben nicht so jung. Bald schon fand sie neue Freunde und begann heimlich, einigen von ihnen, bei denen sie sich ihrer Verschwiegenheit sicher sein konnte, das Lesen und Schreiben beizubringen.
Das Leben fand in einem angenehmen Wechsel zwischen Stadt und Land statt. Sophie brachte einen gesunden Sohn zur Welt, der nach seinem Vater Joseph benannt und Joey gerufen wurde. Zwei Jahre später bekam Sophie noch einen Sohn. Adia liebte die Kinder und verbrachte viel Zeit mit ihnen, in stillen Momenten jedoch wurde sie oft ruhelos. War das alles, was das Leben für sie bereithielt?
Geduld, Kind. Geduld.
Ihr fünftes Jahr in Amerika brachte Veränderungen mit sich. Als der gesamte Haushalt wieder einmal auf die Plantage umzog, entdeckte Adia Fäulnis in einem von Miss Sophies Fensterbrettern und bat darum, den Zimmermann der Plantage kommen zu lassen. Da der alte Zimmermann jedoch verstorben war, dauerte es eine Weile, einen neuen zu finden, dessen Besitzer bereit war, ihn zu verkaufen.
Der Sommer war schon halb vorüber, als der neue Zimmermann erschien, um den Fensterrahmen zu reparieren. Er war ein hochgewachsener, gut aussehender junger Bursche namens Daniel, mit breiten Schultern und einem freundlichen Lächeln. Adia zeigte ihm den verfaulten Fensterrahmen. »Hier sieht man, wie das Wasser eindringt.«
»Zuerst das Wasser und dann Insekten«, murmelte der Zimmermann. »Bevor ich fertig bin, werde ich jedes Fenster in diesem Haus zwei Mal erneuert haben.« Während er an dem Fensterbrett herumklopfte, um zu sehen, wie tief die Fäulnis ging, musterte Adia ihn mit dem merkwürdigen Gefühl, den Mann zu kennen.
»Mazi!«, rief sie plötzlich aus. »Bist du nicht dieser Mazi, der mir während des Marschs durch den Dschungel mit meinem kleinen Bruder geholfen hat, nachdem wir von den Sklavenhändlern ergriffen worden waren?«
Zuerst sah er überrascht aus, aber dann hellte ein erfreutes Lächeln sein Gesicht auf. »Adia! Du warst noch so ein kleines Ding damals. Chike war sogar noch kleiner. Hat er ...«
Sie schüttelte den Kopf, damit er die Frage nicht beenden musste. »Er hat sich mit den Vorfahren vereint. Aber ich war dir sehr dankbar für deine Freundlichkeit. Sie half mir weiterzumachen.«
»Du bist zu einer feinen jungen Dame herangewachsen«, sagte er.
Da Adia mehr als Freundlichkeit in seinem Gesicht sehen wollte, streifte sie das verzauberte Armband ab, das sie trug, um männliches Interesse von sich abzulenken. Was Großmutter auch sagen mochte, dies war ein Mann, nach dessen Bewunderung sie sich sehnte. Sie hatte das Gefühl, ihre Großmutter lachen zu hören, als sie das Armband weglegte und der freundliche Gesichtsausdruck des
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