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Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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bestmögliche Ausbildung in Magie erhalten, und dennoch besaß sie nicht einmal annähernd ihres Vaters Macht. Was für eine Verschwendung von Erziehung! Nikolai hätte die Lehren in sich aufgesogen, wie eine ausgedörrte Wüste Wasser in sich aufnahm.
    Ihre Unterhaltung wurde von seinem Steward unterbrochen, der mit einem großen Tablett mit dem Abendessen hereinkam. Nikolai setzte sich seinem Gast gegenüber. Die Kabine war klein und der Tisch noch kleiner, wodurch er dieser beunruhigenden kleinen Schottin viel zu nahe kam. Er hasste sie, begehrte sie und konnte sie nicht haben. Das waren keine Begleitumstände, die zu einem angenehmen Dinner führen konnten.
    Als der Steward das Tablett auf das Büfett stellte, lächelte die schottische Hexe anerkennend. »Hm, das Essen riecht ganz köstlich. Seeschlachten machen einem Appetit, nicht wahr?«
    Die Absurdität ihrer Bemerkung entlockte ihm fast ein Lachen. »Das tun sie in der Tat.«
    Der Steward servierte als Hauptgang Coq au vin und zog sich dann wieder zurück. Als sie allein waren, fragte Nikolai:
    »Warum wart Ihr in Marseille? Ich bin froh, dass die Vorfahren Euch in meine Hände brachten, aber das kam für mich sehr unerwartet.«
    »Ich war zu zwei Hochzeiten nach Marseille gekommen.« Sie probierte das in Rotwein gedünstete Hühnchen. »Köstlich! Haben Sie einen französischen Koch?«
    »Ja. Pierre war acht Jahre Küchensklave des Sultans von Algier. Der Sultan ließ ihn kastrieren, weil er glaubte, dann würde sich Pierre mit seinem Sklavendasein zufriedengeben. Aber so war es nicht.«
    Jean legte angewidert ihre Gabel nieder. »Bestimmt hat jeder Mann auf diesem Schiff eine ähnlich furchtbare Geschichte zu erzählen.«
    »Bei einigen war es nicht ganz so schlimm, bei anderen noch schlimmer.« Nikolai probierte einen Bissen von seinem Reisgericht. »Ihr habt Euch wohl noch nie wirklich Gedanken über die Sklaverei gemacht?«
    »Das stimmt«, gestand sie. »Ich habe in London zwar ein paar schwarze Sklaven gesehen, aber immer nur aus der Entfernung. Und sie waren mit der Livree ihrer Herrschaften bekleidet, in denen sie bis auf ihre Hautfarbe gar nicht so viel anders als englische Hausdiener aussahen.« Sie begann wieder zu essen.
    »Bestimmt habt Ihr auch noch nie darüber nachgedacht, wie der Zucker in Euren Tee kommt und dass das auf Kosten von Frauen geschieht, die bis zum Umfallen auf den Zuckerrohrfeldern arbeiten. Oder von Männern, die in den Raffinerien zu Tode verbrüht werden.« Er leerte seinen Kelch in einem Zug und schenkte sich noch Rotwein nach. »Die Zuckerplantagen brauchen schier endlose Vorräte an Sklaven, weil so viele von ihnen sterben. Sogar noch mehr sterben, bevor sie die Zuckerinseln auch nur erreichen.
    Der gefährlichste Teil der Reise in die Sklaverei ist der Marsch durch den afrikanischen Dschungel, wo die Menschen Krankheit, Hunger und der Peitsche zum Opfer fallen. Wenn die Gefangenen die Sklavenhäfen erreichen, werden sie an Kapitäne verkauft, die sie so dicht an dicht in Frachträume packen wie Salzheringe in einem Fass. Die Sklavenhändler gehen davon aus, dass eine große Anzahl sterben wird, und fügen die Verluste einfach ihrer Gewinnspanne hinzu.«
    »Ihr scheint entschlossen zu sein, mir all die Gräuel darzulegen.« Jean legte behutsam ihre Gabel auf den Teller. »Ihr habt recht damit, dass ich mir bisher nie große Gedanken über die Sklaverei gemacht habe. Also erzählt mir alles, was Ihr darüber wisst, damit ich nie wieder Unwissenheit vorschützen kann.«
    Nikolai ließ sich nicht lange bitten und spie die Worte förmlich aus wie Flüche, als er ihr die grauenvollsten Geschichten über Sklaverei erzählte, die er kannte. Er ersparte ihr nichts, als er ihr von der Schonungslosigkeit des Lebens auf den westindischen Plantagen erzählte, die den von Europäern so begehrten Zucker erzeugten. Obwohl er selbst nie dort gewesen war, hatte er mit anderen gesprochen, die diese Hölle durchgemacht hatten. Er sprach auch von den arabischen Sklavenhändlern, deren Niedertracht auf seinem eigenen Fleisch geschrieben stand. Er erzählte Geschichten von Kindern, die ihren Müttern entrissen wurden, von Ehemännern und Ehefrauen, die auseinandergerissen wurden, von sadistischen Sklavenhaltern, die weibliche Sklaven vergewaltigten und ihnen noch Schlimmeres antaten.
    Während seines aufgebrachten Vortrags beobachtete Jean Macrae ihn nur mit großen Augen und aschfahlem Gesicht. Noch nie hatte er jemanden mit solch enormer

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