Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
ein, die in die Berge führte. Sein Lieblingsweg war ein schmaler Ziegenpfad, der durch eine Öffnung im Rand der Caldera den steilen, gegenüberliegenden Hang zur See hinunterführte.
Eine Priesterin war durch die Zeit gekommen, um ihn für den Kampf gegen die Sklaverei zu rekrutieren, auf einer Ebene, die weit über alles hinausging, was er mit seinen Schiffen je erreichen würde. Und er musste es als Jean Macraes Gefährte tun. Bei dem Gedanken wurde ihm heiß und kalt zugleich. Die Hitze war verständlich, weil von Anfang an eine starke erotische Anziehung zwischen ihnen bestanden hatte. Und wenn es nur eine rein körperliche Sache wäre, würde er keine Sekunde zögern, den Beischlaf mit ihr zu vollziehen.
Doch selbst die sinnlichsten Menschen nahmen ihren Verstand mit ins Bett, und nichts zwischen ihm und der schottischen Hexe könnte jemals einfach sein. Fürchtete er sie? In gewisser Weise ja. Es war keine rationale Angst - er war schließlich doppelt so groß und stark wie sie, und seine Magie war, auch wenn sie anders war, von der Stärke her ihrer gleich. Aber sie besaß eine emotionale Macht über ihn, die ihn von ihr fernhielt, aus Furcht ... wovor? Adia hatte gesagt, er habe an vielen Orten Teile seiner Seele zurückgelassen. Eine körperliche Vereinigung mit Jean Macrae würde ihm ein weiteres großes Stück von seiner Seele nehmen, das er vielleicht nie wieder zurückerlangen würde.
Er ging den Hang hinunter zu einer geschützten Höhle und fragte sich, wie er die nötige Ruhe finden sollte, um zu meditieren, wie Adia es verlangt hatte. Er konnte einfach nicht aufhören, an sie, die Antisklaverei-Bewegung und Jean Macrae zu denken. Es gab zu viele Fragen, die ihn quälten, zu viele Möglichkeiten. Was geschah bei einer Initiation? Wie konnte er sich darauf vorbereiten? Und könnte er wirklich mithelfen, die Sklaverei zu beenden?
Die Höhle war einer seiner Lieblingsplätze, von der See aus fast nicht zu erkennen, aber mit einem einsamen kleinen schwarzen Sandstrand praktisch direkt vor ihr. Nikolai setzte sich auf eine Steinmauer, die den schmalen Streifen Sand begrenzte, und beobachtete die heranrollenden Wellen, während er versuchte, seinen Kopf von allen Gedanken zu befreien, um zu meditieren.
Es gelang ihm, Muskel um Muskel seines Körpers zu entspannen, aber mit seinem Kopf war ihm weniger Erfolg beschieden, und während die Stunden verstrichen, verschlechterte sich seine Konzentration sogar noch. Kaum hatte er einen Gedanken aus seinem Kopf verbannt, erschien bereits der nächste. Nikolai versuchte, sich ganz und gar auf die Frage zu konzentrieren, ob er die Initiation riskieren sollte. Sein Herz sagte Ja, aber war das sein tiefstes Inneres?
Die Sonne war schon über ihren Zenit hinaus, als er eine Stimme hörte: »Machst du Fortschritte?«
Nikolai zuckte zusammen, verärgert über sich selbst, weil er die schottische Hexe nicht kommen gehört hatte. Sie bewegte sich mit der Lautlosigkeit einer Katze.
Er blickte zu ihr auf, als sie sich nicht weit von ihm zu seiner Rechten auf die Mauer hockte. Der Wind umwehte sie und presste den dünnen Stoff ihres Kleides an ihre schlanke, anmutige weibliche Gestalt. Nikolais fast schmerzhaftes körperliches Bewusstsein ihrer Nähe zerstörte den letzten Rest der Ruhe, die er so mühsam errungen hatte.
Er zwang sich aber, jeden sinnlichen Gedanken zu verdrängen, und erwiderte schulterzuckend: »Ich bin weit davon entfernt, die Meditationstechniken zu beherrschen, doch Adias Auftrag habe ich erfüllt. Ich bin mir jetzt sicher, dass es meine Bestimmung ist, mich trotz des Risikos initiieren zu lassen.«
Jeans ironischem Blick nach zu urteilen, überraschte sein Entschluss sie nicht. Er zeigte auf den Lederbeutel, den sie bei sich trug. »Trägst du jetzt auch schon eine Medizintasche wie Adia bei dir?«
»Adia riet mir, mich an die Wächtertraditionen zu halten. Und da ich eine praktisch veranlagte Schottin bin, habe ich keine Zaubermittel, sondern etwas zu essen mitgebracht«, erwiderte sie und nahm einen Krug Wein aus der Tasche, den sie auf die Mauer zwischen ihnen stellte, bevor sie auch noch ein in Stoff eingewickeltes Stück Käse und ein kleines Brot zutage förderte. Sie teilte das Brot und reichte Nikolai das größere Stück, und ebenso verfuhr sie mit dem Käse. »Fasten mag gut sein, um Spiritualität zu erlangen, aber die meiste Zeit ziehe ich es vor zu essen.«
Nikolai grinste und biss ein Stückchen Käse ab. »Manchmal bist du
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