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Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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für die Veranstaltung?«, fragte er ein bisschen spöttisch.
    Tano schenkte ihm ein schwaches Lächeln. »Die meisten werden so wie ich gekleidet sein, aber wie du hingehst, ist deine eigene Entscheidung.«
    Nikolai missfiel die Vorstellung, sich einer Gruppe von Menschen fast völlig nackt zu zeigen, obwohl er das Gefühl hatte, dass dies genau die Art von Eitelkeit war, die er besser ablegen sollte. Als Kompromisslösung schlug er vor: »Für zukünftige Zeremonien werde ich mir einen Lendenschurz besorgen. Aber für heute lege ich nur meinen Rock und meine Weste ab.« Er zog die besagten Kleidungstücke aus, bis er nur noch ein Hemd, Reithosen und Stiefel trug, als er Tano in die schon einbrechende Dunkelheit nach draußen folgte. »Wo gehen wir hin?«
    »Unsere Zeremonien finden im Keller einer der Ruinen auf der Westseite der Insel statt«, erklärte Tano. »Dort befand sich einst das größte der alten Dörfer.«
    »Ihr habt da regelmäßig Zeremonien abgehalten?«, fragte Nikolai überrascht.
    »Selbstverständlich. Du musst die Trommeln doch gehört haben.«
    Das schon, aber Nikolai hatte sich nicht viel dabei gedacht - höchstens, dass einige der Afrikaner eben gern trommelten. Trotz seines eigenen afrikanischen Blutes war er jedoch nie zu solchen Zeremonien eingeladen worden. War er nicht Afrikaner genug? Oder zu einschüchternd für die Teilnehmer, weil er das Oberhaupt ihrer Gemeinde war? Oder einfach nur zu gut bekannt als jemand, der sich nicht mit Spiritualität befasste?
    Ein bisschen von allem mochte der Grund dafür sein. Und selbst wenn er eingeladen worden wäre, wäre er wahrscheinlich ohnehin nicht hingegangen.
    Nun, da er genauer hinhörte, konnte er die Trommeln deutlich wahrnehmen. Da Getrommel nichts Ungewöhnliches auf Santola war, hatte er noch nie wirklich darauf geachtet. Je näher er der Quelle der Geräusche kam, desto mehr griff der stampfende Rhythmus, der wie ein Echo seines eigenen wild pulsierenden Blutes war, auf seinen Körper über.
    Sie erreichten die Ruinen des größten der alten Dörfer, als es bereits völlig dunkel war. Tano führte sie auf einem Zickzackkurs durch hohes Unkraut und herumliegende Steine.
    Dann war er plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Es dauerte einen Moment, bis Nikolai erkannte, dass sein Freund in einem niedrigen Tunneleingang stand, der tief unter die Erde führte. Nikolai folgte ihm und nahm sich in Acht, nachdem er sich an der unregelmäßigen Tunneldecke den Kopf gestoßen hatte.
    Am Ende des Tunnels brannte Licht, und die Trommeln waren jetzt in ihrer vollen Kraft zu hören. Der Zeremonienraum schien der Keller einer größeren Ruine zu sein. Der nach oben hin offene Raum wurde von einem lodernden Feuer im Mittelpunkt erleuchtet. Vielleicht zwei Dutzend Menschen, Männer und Frauen, saßen in einem großen Kreis um das Feuer. Nur die Männer trommelten. Tano erklärte leise: »Da wir nur wenige und aus vielen Stämmen sind, nehmen sowohl Männer als auch Frauen teil. Wir müssen unser kulturelles Erbe miteinander teilen, um stark zu bleiben.«
    Nikolai kannte natürlich alle - es gab ja keine Fremden auf Santola -, aber die Anwesenden sahen heute Nacht so anders aus, dass er nicht sofort jeden erkennen konnte. Die Männer trugen einen Lendenschurz, die Frauen wenig mehr. Einige hatten sich mit Perlenschnüren, Federschmuck und anderen exotischen Dingen wie Federn, Tierfellen und bunten Zeichnungen auf ihrer dunklen Haut geschmückt.
    Nicht alle hatten jedoch so dunkle Haut - als Nikolais Augen sich an das flackernde Licht des Feuers gewöhnten, sah er, dass auch einige der auf Santola ansässigen Mulatten und Kreolen erschienen waren. Eine von ihnen war Louise. Er hatte sie immer als Französin betrachtet, aber heute Nacht war sie Afrikanerin.
    Leise suchte Tano einen Platz in dem Kreis und ließ sich auf dem Boden nieder. Nikolai setzte sich zu ihm, weil er an diesem seltsamen Ort einen Freund in seiner Nähe haben wollte. Er blickte sich nach Adia um, sah sie aber nicht. Das einzige Geräusch im Keller war das Trommeln.
    Nikolai schloss die Augen und ließ es in seinen Körper eindringen. Die donnernden Wogen betäubten seinen Verstand und erleichterten die Trennung zwischen seinem Körper und der Welt um ihn herum. Es lag Magie in diesen Instrumenten. Sie bildeten einen Chor harmonischer Rhythmen, und manchmal spielte sich ein Solotrommler mit virtuoser Fingerarbeit in den Vordergrund, um sich später wieder dem Chor anzugleichen und

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