Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
ihnen helfen, aber eine unwillige Geste Adias hielt ihn davon ab. Man bedeutete ihm, sich in die Mitte des Bootes zu setzen, mit einem Mann und einer Frau vor ihm und den anderen beiden hinter ihm.
Mondlicht versilberte das Wasser, als sie über die Caldera zu Diabolo hinüberglitten. Nikolai versuchte, sich an die Insel zu erinnern, die er in seinen ersten Jahren auf Santola ein oder zwei Mal aufgesucht hatte. Sie war ein schmaler, zerklüfteter Halbkreis, der aus der See aufragte, kleiner und steiler als die Hauptinsel.
Schließlich erreichten sie die Küste, und die Priester zogen das Boot auf einen Streifen Strand hinauf. Die Küste war für etwa fünfzehn Meter ziemlich flach, bevor sie in einen steilen Berghang überging. Adia stieg aus dem Kanu und hob ein Bündel Decken auf, mit denen sie bis etwa zur Mitte des flachen Bereichs hinüberging. Die andere Priesterin trug Säcke mit Vorräten hinüber.
»Wo ...?« Nikolai verstummte, als Adia den Finger an die Lippen legte, um ihm Schweigen zu gebieten. Mit der weißen Zeichnung auf ihrem dunklen Körper sah sie im Mondschein schon fast nicht mehr menschlich aus. Sie war nicht länger die zivilisierte Londonerin, die sich Sprache und Verhaltensweise einer gebildeten Engländerin angeeignet hatte, sondern eine gefährliche Priesterin voller dunkler Geheimnisse.
Noch immer schweigend, hob jeder Priester eine Decke auf und legte sich für den Rest der Nacht zum Schlafen nieder. Nikolai war froh zu sehen, dass es auch für ihn eine Wolldecke gab, denn die Nacht war ungemütlich kühl ohne ein Feuer.
Er wickelte sich in seine Decke und richtete sich zum Schlafen ein, da er sehr wohl wusste, dass am Morgen die eigentliche Initiation beginnen würde. Da war es besser, so viel Ruhe wie nur möglich vorher zu bekommen.
Aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Der Himmel war mit glitzernden Sternen übersät, und Nikolai merkte, dass er nicht die Augen vor ihnen verschließen konnte. Als Seemann kannte er sich gut mit Sternen und ihren Konstellationen aus, doch heute Nacht schienen sie geradezu zu leben. Sie pulsierten und schimmerten bedeutungsvoll, heller und bezwingender, als er sie je zuvor gesehen hatte.
Und zu singen schienen sie auch. Nicht mit Worten, sondern mehr wie ein Chor von Noten, von denen jede für sich genommen einzigartig war, mit den anderen zusammen aber sehr harmonisch. Nikolai lauschte, ob eine Botschaft für ihn darin lag, aber er hörte nichts außer sehnsuchtsvollen, fernen Klängen.
Schließlich schlief er zu der Musik der höheren Sphären ein und erwachte erst wieder, als eine Stimme sagte: »Captain?«
Er versteifte sich, sowie ihm bewusst wurde, dass er auf Diabolo, der öden, scheinbar der Hölle entsprungenen Insel gegenüber von Santola war. Adia stand neben ihm. Ihre Körperbemalung war entfernt, und sie trug jetzt ein schlichtes Wickeltuch und einen Turban. Keine afrikanische Priesterin mehr, sondern eine afrikanische Frau, die ihn an seine Großmutter erinnerte, die auch immer einen solchen Turban getragen hatte.
Nikolai setzte sich, und Adia reichte ihm einen Becher heißen Tee und eine Semmel. Der Tee war süß und mit Kardamom gewürzt, die Semmel schon ein bisschen trocken. Die anderen Priester nahmen ein ähnliches Frühstück zu sich. Obwohl es schon nach Sonnenaufgang war, lag das Innere der Caldera noch im Schatten.
Als alle ihr bescheidenes Mahl beendet hatten, stand Adia auf und bedeutete den anderen, ihr zu folgen. Ihre Medizintasche über der Schulter, ging sie ein ganzes Stück am Wasserrand entlang, bevor sie in eine kurvenreiche Schlucht abbog. Die Gruppe befand sich auf halber Höhe zum Kamm des Hügels, als Adia nach links in eine Höhle abbog, was interessant war, da Nikolai noch nie etwas von Höhlen auf Diabolo gehört hatte.
Aber das hier war eine. Der schmale Eingang führte zu einem ziemlich weitläufigen Bereich. Den meisten Höhlen haftete der Geruch nach tierischen Bewohnern an, doch dieser nicht. Sie roch nur ... alt.
Als sie eintraten, hob Adia die Hand, und ein violettes Feuer erschien auf ihrer Handfläche, das einen großen, nahezu kreisförmigen Raum mit einem vielleicht dreieinhalb Meter hohen Dach erhellte. Am Ende der Höhle führte eine Felsspalte noch tiefer in den Berg hinein.
Adia hielt das violette Feuer an eine Wand, wo es an den Steinen haften blieb wie eine Fackel und ohne jeden Brennstoff weiterbrannte. Sie warf eine Hand voll Pulver in die Flamme, und ein beißender Rauch
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