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Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
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Prominenten und zur Fraktion, hatte überall sein Ohr. Mit Gailat und Maerker fanden sich Wesensverwandte, beide Jahrgang ’27, Rote mit Haut und Haaren, vom Sieg des Sozialismus besessen.
    Laut »streng vertraulichen« HVA-Papieren begann Gailat anno ’42 als Laufbursche einer Buchhandlung im ostpreußischen Ebenrode, lernte dann Tischler. Mit Ausweis 1.849.069 SED-Mitglied der ersten Stunde, wird er Sekretär der Wismarer FDJ-Kreisleitung, kommt auf die Parteihochschule. 1951 steigt er beim MfS ein und auf. Etwa zu dieser Zeit beginnt Maerker beim SPD-Parteivorstand im Ost-Büro, einem »Feindobjekt« der HVA. Die Stasi nimmt ihn fest ins Visier: Er sei nach 1948 in die DDR gekommen, früher bei KPD, SED und FDJ gewesen, habe beim Staatlichen Rundfunkkomitee in der Masurenallee gearbeitet, nach diesem Intermezzo das Land 1952 »ungesetzlich« verlassen, steht in Dossiers. Man hielt ihn für einen französischen oder einen BRD-Spion, hoffte aber, »später an Maerker heranzukommen«, es bestünden »günstige Möglichkeiten«. Seine Ansicht wird notiert, »dass der Osten das Rennen macht«.
    Gailat kommt voran. Seine Kaderkarteikarte vermerkt 14 Orden, Belobigungen samt Prämien bis 2500 Mark. Ein Passfoto zeigt ihn mit grimmigem Ernst. Letztes Gehalt: 2150 Mark. Die Musterbiographie ließe auf einen blassen Apparatschik tippen. 150-prozentig »auf Linie«, bei Bedarf scharfkantiger Vorgesetzter, dabei »pfiffig, belesen, gebildet und von gewisser Weltläufigkeit«, eine Ausnahme in Mielkes Schattenreich, betont ein früherer Kollege. Dank gepflegtem Pommerisch ein Kauz auf seine Art, der zur Erheiterung Wetterberichte im Dialekt herunterbetete. Trotz seiner drögen Ausstrahlung hatte Gailat erhebliche Phantasie und eine fast hypnotische Wirkung auf Spione, im Jargon »Kundschafter«. Seltsam fasziniert von der SPD, ließ er sich von der Obsession seines Lebens nur ablenken, wenn im Radio ein Boxkampf übertragen wurde, erzählen Ex-Offiziere.
    Nach Erkenntnissen der Fahnder beteiligten sich die Obristen Gerhard Behnke und Werner Groth »an der Führung« des IMBMaerker. Behnke und Gailat hätten ihren strammen »Max« mehrfach getroffen. Kein Kunststück, er bereiste auf SPD-Ticket bevorzugt den Ostblock. Vielleicht sah man sich in Budapest; man munkelt, Gailat-Behnke seien dort gern im »Astoria« und »Duna-Interconti« abgestiegen. Die Datei nennt weitere fünf für Maerker unmittelbar Zuständige. Oberstleutnant Peter H. und Mitarbeiter der Auswertungsabteilung VII bestätigten Ermittlern den Rang des lange Zeit großen Unbekannten.
    Um 1968 hatte sich der damals 40-jährige »Max« dem MfS angeboten, da saß er beim SPD-Vorstand in der für die allgemeine Parteiarbeit zuständigen Redaktion. Später war er freier Journalist und Autor des Deutschlandfunks. Die Tarnung hätte nicht perfekter sein können, Maerker schrieb bevorzugt DDR-Kritisches. 1978 stuft die Stasi-Hauptabteilung XX seine Artikel als »hetzerisch« ein, »gegen die marxistisch-leninistische Weltanschauung« gerichtet. Ein Beweis mehr, wie gut ihn Gailats »HVA Zwo« in der »Firma« abschottete.
    Denkt man sich Maerker als gespaltene Persönlichkeit, sprach sein zweites Ich die Neuigkeiten so banal wie effektvoll auf Band. Völlig unspektakulär transportierten Kuriere das Material von hüben nach drüben, Routine für das sogenannte Verbindungswesen. Er schickte in guten Jahren 100 Berichte aus Bonn, darunter Top-Infos, die – »Streng geheim!« – auch an Erich Honecker gingen. Wegen der »hohen Wertigkeit« müsste »Max« mit Orden belobigt worden sein, versichern Alt-Kader.
    In der Sira-Datei, dem organisierten HVA-Gedächtnis, sind 1281 »Max«-Dokumente thematisch erfasst, die Inhaltsangabe ist 2000 Seiten lang. Zum Puzzle zusammengefügt, entsteht ein Archiv der Vergeblichkeit, es ist gleichzeitig der Beleg für Maerkers verborgene Identität als einer der eifrigsten HVA-Zuträger. Die Papierflut setzt 1973 ein, man erfährt von ihm »interne AusführungenWehners über Brandt und Kühn«. Schlag auf Schlag meldet der Spezialist »Einschätzungen aus dem Parteivorstand«, die Ansicht zur »Tagung der Warschauer Vertragsstaaten in Bukarest« oder die Haltung von SPD-Spitze und »Kreisen der Bundesregierung« zur Ausbürgerung Biermanns. Was Wehner handverlesenen Funktionären in Essen steckt, erreicht umgehend Ostberlin. Es wird berichtet, wie man die Lage der »Ständigen Vertretung der BRD in der Hauptstadt der DDR« sieht. Maerker

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